Die Bucht des grünen Mondes
böser Piranha-Geist», verkündete er zufrieden. «Die Wunden werden heilen, du wirst nur Narben davontragen.
Aymáho fühlte sich matter als zuvor. Er ließ sich wieder sinken, hoffte, dass Tiacca seine Hand ergriff. Aber sie war mit den getrockneten Pflanzen und Käfern beschäftigt, die sie in einer Kokosnussschale zu Pulver mörserte und mit Wasser verrührte.
«Die Hüfte lässt sich schlecht verbinden», brummte Pinda, während er die Arznei auf die Wunde gab. «Du musst aufpassen, dass der Brei haften bleibt. Um die Wade mache ich einen Blattverband. Nein, Tiacca kann das tun. Der Tabakgeist hat mich müde gemacht.»
Er verkroch sich in seine Hängematte und begann sofort zu schnarchen. Tiaccas Blick blieb auf seinem knochigen Rücken haften, als wolle sie die Rippen zählen.
Sie besaß große Augen mit schweren Lidern. Einen Mund, der voll war und für eine Frau fast schon zu breit. Aymáho hatte gesehen, gehört vielmehr, wie sie ein Tier in die Flucht schreien konnte. Sein Körper spannte sich an, wollte hochschnellen, um sie zu umarmen und diesem prächtigen Mund einen Kuss abzuverlangen. Und als ahnte sie es, ging sie zu den Körben, die an einer Wand in scheinbarem Durcheinander hingen. Sie kramte darin herum und kehrte mit Palmblattstreifen und aus Fasern gedrehten Schnüren zurück.
«Als ich dich im Schweineblut sah …»
«Du hast es also gesehen.» Unwillkürlich war sein Ton kühl geworden. Er hatte so sehr gehofft, dass sie woanders gewesen war.
Sie neigte sich über seinen Unterschenkel und begann ihn zu umwickeln. «Aymáho, du glaubst, ich hätte es schrecklich gefunden. So war es auch. Aber nicht deinetwegen. Als du da standest, besudelt, aber voller Feuer in den Augen, da empfand ich Stolz.» Aufseufzend warf sie den Kopf herum. «Das klingt ziemlich unverständlich, oder?»
Nun, ein Mann konnte das kaum verstehen, also schwieg er abwartend. Ihre Züge verhärteten sich. Sie machte den letzten Knoten, der die Blätter an seinem Bein hielt, und richtete sich auf.
«Aymáho, ich bin gekommen, weil …» Ihr Atem kam schwer.
«Ja?»
«Ich weise dich ab.»
«Tiacca!»
«Bleib, wo du bist!», fauchte sie. In ihren Augen funkelte die Wildheit der Jägerin; ihre Zähne waren wie zum Zubeißen entblößt. Sie warf die Haare herum und stapfte zum Eingang. Er hatte sich aufgesetzt. Wollte ihr nachsetzen, aber da war sie schon draußen; er hörte sie unterdrückt schimpfen – mit ihm oder sich selbst.
Was sollte das? Hatte sie etwa To’anga haben wollen? Nein, er hatte Augen im Kopf und durchaus Verstand, da konnte man ihn noch so sehr einen Verrückten nennen. Ihr Vater musste das klären. Aymáho kam auf die Füße, unterdrückte den Anflug von Übelkeit, der ihn zurück auf die Hängematte drängen wollte, und schüttelte den Inhalt des Beutels aus, den Tiacca mitgebracht hatte. Wie vermutet, lagen seine Sachen darin. Er schlang sich die Stricke um die Hüften und schob die Perlschnüre wieder über Arme und Füße. Ein letzter Blick auf den Schamanen: Der lag nach wie vor in tiefem Schlaf. Aymáho verließ die Hütte. Ohne sich nach den anderen umzuschauen, eilte er die Äste hinauf, die den Baum des Kaziken wie eine Spirale umwanden. Das Haus, das sich nicht nur über die Krone dieses Baumes, sondern auch dreier weiterer erstreckte, war fast so groß wie der Dorfplatz. Tücher teilten es in mehrere Räume, und durch eines der Tücher sah er, als er eintrat, den Kaziken mit fünf, sechs anderen Männern beisammensitzen. Alle hatten Rang und Namen bei den Yayasacu – weise Männer, große Krieger.
Aymáho hörte sie über ihn sprechen.
«Kurz bevor er geboren wurde, wütete der Tod im Dorf. Es war das böseste aller Omen. Er hätte ausgesetzt werden sollen.» Der durch das Tuch nur schemenhaft erkennbare Kazike warf die Hände hoch. «Aber seine Mutter flehte mich auf Knien an, es nicht zu tun. Und es wurde ja auch alles gut. Er wuchs zu einem starken Krieger heran, der seinen Beitrag zum Überleben des Stammes leistet. Trotz seines …» Seine Stimme verebbte, als sei er Aymáhos müde.
«… auffälligen Verhaltens», ergänzte Oa’poja, der erste Schamane des Dorfes.
Einträchtig murmelnd nickten die Männer. Eine Tabakpfeife kreiste, von milderem Geruch als die in Pindas Hütte. Bevor sich die Männer in weiteren Betrachtungen ergehen konnten, ging Aymáho auf sie zu. Das Lianengeflecht knarrte unter seinen kräftigen Schritten. Der Kazike hob nur langsam den Kopf,
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