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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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als habe er mit seinem Erscheinen gerechnet.
    «Da bist du ja», sagte Rendapu, und zu den anderen gewandt: «Lasst uns allein. Es ist ohnehin alles besprochen.»
    Die Männer erhoben sich und verließen schweigend das Haus. Keines Blickes hatten sie Aymáho gewürdigt – für ein solches Verhalten konnte es zwei Gründe geben. Entweder wollten sie ihn beleidigen, doch dazu hatten sie keinen Grund. Oder … Unwillkürlich ballte sich etwas in seinem Magen zusammen, sodass er kräftig Luft holen musste, um das lästige Gefühl abzuschütteln.
    Zuletzt trat der Kazike hinter dem Vorhang hervor. Dass er die farbenprächtige Federkrone trug, zeigte den Ernst der Lage. «Auffälliges Verhalten, in der Tat», wiederholte er leise. Sein von hundert Faltengräben durchzogenes Gesicht wirkte in sich gekehrt. Kurz schloss er die schweren Lider. Dann legte der kleingewachsene Häuptling den Kopf in den Nacken, um zu Aymáho aufzuschauen. Nun war sein Blick so klar wie der des Jaguars. Er öffnete den Mund. Doch Aymáho kam ihm zuvor.
    «Du hast Tiacca den Gedanken eingegeben, mich abzuweisen!», warf er ihm hin. Was da in seinem Magen zitterte, war Zorn. «Warum?»
    «Das tat ich nicht, und nun schweig wenigstens für einen Moment. Denn du hast jetzt ganz andere Sorgen. Hast du gesehen, wie die anderen an dir vorbeigingen?»
    «Allerdings! Was steckt dahinter?»
    «Du bist verbannt.»
    Ihr Götter. Also doch
. Aymáho machte einen Schritt seitwärts, weil er glaubte, der Boden schwanke. «Deshalb sahen sie mich nicht an. Weil … weil ich …»
    «Weil du nicht mehr hier bist. Du bist ein Geistwesen. Ich allein kann dich noch sehen, aber auch nicht mehr lange.»
    Die Wände drehten sich. Aymáho hatte sicher zu viel Tabakrauch eingeatmet. Der Zorn drängte aus seinem Magen heraus. Auf den Knien erbrach er sich. Er spürte die Hand des Kaziken auf der Schulter.
    «Es war recht, von To’anga Vergeltung zu fordern», schwebte die leise Stimme des Häuptlings über ihm. Tröstlich beinahe. «Aber du hast mehr als das getan, du hast dich gerächt.»
    Aymáho fragte sich, wo der Unterschied war. «Es war die einzige Möglichkeit, seine Tat vergessen zu machen», sagte er kehlig. Niemand hätte mehr davon gesprochen. Nur noch von dem Zweikampf. Aber auch der dürfte unter den Stammesbrüdern jetzt vergessen sein, nun, da einer von ihnen zum Geist geworden war. Er sprang auf und fuhr zu dem Kaziken herum. «Ich verstehe es nicht!»
    «Dann schweig endlich und lass es dir erklären.» Rendapu hob die Hand. «Du wärest gestorben, wäre To’anga zuerst gesprungen. Und das wusstest du. Trotzdem hast du ihn wählen lassen.»
    «Weil ich wusste, dass er niemals den Mut aufbringen würde, vor mir zu springen. Obwohl ihm hätte klar sein müssen, dass die Wahrscheinlichkeit, es als Erster zu überstehen, größer war.»
    «Du spielst mit dem Tod, und das ist schlecht. Du bist tollkühn. Streitlustig. Verrückt, sagen manche. Ja, das bist du. Und was mir wirklich,
wirklich
, Angst macht, ist diese Lust an der Gefahr.» Rendapu rieb sich das Kinn. «Diese Sache mit der Siyuocapflanze … Es ist gut, seine Sinne mit Epena zu stärken. Aber weshalb die Siyuoca? Ich habe dich das schon einmal gefragt, aber wie üblich nur deinen Ärger geweckt.»
    Aymáho wollte ihm hinwerfen, dass das nun völlig gleichgültig sei, schließlich war er tot, oder doch schon fast. Aber dann atmete er aus. Es war nicht gut, im Streit zu gehen. «Ich trage einen Geist in mir.»
    «Jeder Mann tut das.»
    «Ich rede nicht von meinem Schutzgeist. Es ist noch ein anderer. Ein böser Geist, ein Dämon. Er sitzt in meinem Kopf und reizt mich bis aufs Blut. Und ich werde ihn nicht los.»
    Rendapu hob erstaunt die Brauen. «Ist er jetzt auch da?»
    Aymáho lauschte in sich hinein. «Ja.»
    «Und er … wann kam er?»
    «Das weiß ich nicht. Er war schon immer da.»
    «Hat einmal ein Schamane versucht, ihn auszutreiben?»
    Aymáho winkte ab. Jene Versuche waren vergebens gewesen.
    «Wie macht sich der Geist bemerkbar?»
    «Kazike! Ich habe dir das nicht erzählt, damit du mich jetzt mit Fragen bedrängst. Du wolltest wissen, warum ich die Stille des Siyuoca-Schlafs suche, und jetzt kennst du die Antwort. Lass es damit gut sein.»
    Abwehrend hob Rendapu die Hände. «Der andere Geist, den du trägst, ist der des Zorns. Weißt du, Aymáho, ich bin froh, dass meine Tochter doch noch zur Vernunft gekommen ist. Früher oder später hättest du ihr Herz getötet, weil sie

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