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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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entreißen.
    Und es könnte sein, dass er es soeben geschafft hat
, dachte Aymáho grimmig.
    Er gelangte an einen der tausend Wasserläufe, die in den Weißen Fluss führten. An eine Yuru-Palme lehnte er seine Waffen, prüfte die Bewegungen im Blattwerk und ob die Vogelspinne und die Siyuoca noch in ihm waren und seine Sinne trübten. Nein. Er kletterte auf den quer über das Wasser ragenden Stamm der Palme. Hier hielt er Ausschau nach dem riesigen Leib der Großen Götterschlange, der so dick werden konnte wie Yamis Schenkel. Nichts. Auch Krokodile waren nicht zu sehen. Nirgends kräuselte und blubberte das Wasser verdächtig, kein Schatten verdunkelte das schlammige Wasser. Aber es gab auch winzige, harmlos wirkende Würmer und Fische, die einem menschlichen Körper auf ganz andere Art gefährlich werden konnten. Dagegen half nur, die Gesäßbacken fest zusammenzukneifen.
    Aymáho sprang. Seine Füße stießen auf schlammigen Grund. Er duckte sich, um ganz vom Wasser umspült zu werden. Mit Aststücken rieb er sich das bereits geronnene Blut vom Leib. Seine Finger fuhren durch die langen Haarsträhnen, durch Schmuckperlen und Federn, Arm- und Fußreife. Als er wieder trockenen Boden unter den Füßen hatte, atmete er erleichtert auf. Der Geist des Schweins hatte sich nicht in ihm festgesetzt. Zuletzt entfernte er noch die Blutspuren von seinem Blasrohr, knotete es um die Mitte und machte sich auf den Rückweg ins Dorf.
    Hier war die Stimmung, wie er es erwartet hatte, verhalten. Die Frauen hockten beisammen auf dem Dorfplatz und vor dem Eingang zum Frauenhaus, flochten Körbe und Matten, woben Stoffe, hackten Gemüse und häuteten erbeutete Tiere, wie sie es immer taten. Aber Köpfe und Stimmen waren gesenkt, als läge der Kazike krank in seiner Hütte. Sogar die ewig kreischenden Kinder spielten schweigend mit den frischgeschlüpften Krokodilen, deren Eier sie aus dem Uferschlick gegraben hatten.
    Auch Tiacca hielt den Blick fest auf ihre Arbeit gerichtet. Sie saß vor den Treppen, die zum Baumhaus ihres Vaters führten, und rollte Kauchu zwischen den Handflächen; vermutlich wollte sie damit ihr neues Blasrohr abdichten. Die Haare hatte sie sorgfältig hinter die Ohren gestrichen, und Aymáho glaubte zu sehen, wie die Ohrmuscheln, an denen er schon geleckt hatte, wuchsen, damit ihr nichts entging. Am Ende des Dorfplatzes umstanden die Männer To’anga, lachten leise und tranken vergorenen Obstsaft. Als sie Aymáho sahen, stießen sie To’anga mit den Ellbogen an. Gemächlich wandte er sich ihm zu.
    Mit geballter Faust schritt Aymáho über den Platz. Alles in ihm drängte danach, auf ihn zuzustürzen und ihn von den Füßen zu reißen.
    «Lass ihn, Aymáho, er ist nur dumm.» Pytumby, einer der älteren Jäger, ein Mann von wuchtiger Gestalt, stellte sich ihm in den Weg. Doch Aymáho schob ihn ungeduldig beiseite.
    «Entscheiden wir, wer der Bessere ist», rief er. «Und weil ich glaube, dass
ich
es bin, sollst du sagen, wie wir es tun. Im Faustkampf, bei der Jagd, was du willst.»
    To’angas Augen flackerten misstrauisch. Sein Blick wanderte über den Platz und blieb an Tiacca hängen. Wahrscheinlich sah er sich schon vor sie treten, mit der Zunge eines Pirarucus in der ausgestreckten Hand. Oder gar mit dem Fell des Jaguars, das er ihr zu Füßen legte. Lächelnd riss er sich von ihrem Anblick los und nickte Aymáho zu. «Gut. Dann lass uns vom Roten Felsen springen.»
    Erregtes Gemurmel erhob sich ringsum. Das war eine bedeutende Mutprobe. Diesen Kampf gewann nur, wer sich am unerschrockensten zeigte. Daher nickte Aymáho.
    Aber er hatte nicht vor, es so zu machen, wie To’anga es sich dachte.
    Im Eingang zum Baumhaus, halb verborgen vom Bambusvorhang, stand der Kazike. Aymáho wartete auf irgendein Wort von ihm, doch der Häuptling schwieg und zog sich in die Tiefe seines Hauses zurück.
    Aymáho schritt aus dem Dorf. Sie alle unterbrachen ihre Tätigkeiten und rannten aufgeregt plappernd hinter ihm her. Gerne hätte er sich nach Tiacca umgedreht, doch sein Stolz war ihm im Weg.
    Andere Jäger kamen aus dem Wald und schlossen sich dem Zug an. Zweihundert lärmende Menschen, fast der ganze Stamm der Yayasacu, drängte zu dem trägen Gewässer. Hier hielten sie sich einen Schwarm Piranhas. Mehr ein kleiner See als ein Flusslauf, war es von überwucherten Ufern gesäumt, die Zuläufe mit Netzen versperrt. Ein Felsen rötlichen Gesteins ragte an einer Seite über das Wasser. Die Kinder rannten an die Kante und

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