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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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hielten Ausschau nach den zahnbewehrten Raubfischen.
    Es war nicht gefährlich, in der Nähe der Piranhas zu baden. Wühlte man jedoch das Wasser auf, indem man hineinsprang, vermuteten die gefangenen Tiere eine hilflos zappelnde Beute. Und wies man nur die kleinste Wunde auf, war ihr Blutdurst vollends erwacht. Hätte Aymáho sich an dieser Stelle gesäubert, wäre er jetzt ein abgenagtes Gerippe. Er war doch sauber, oder? Ganz sicher war er sich nicht.
    Er zog sich den Schmuck aus den Haaren, entfernte die bunten Perlschnüre um seine Arme und Fußgelenke und wickelte zuletzt auch die fingerdicken Lendenschnüre von den Hüften. Nichts sollte stören. Nur die Amulette legte er nicht ab.
    To’anga war seinem Beispiel gefolgt und trat nackt an den Felsrand. «Nun?», fragte er mit herausfordernder Stimme. «Wer soll zuerst auf die andere Seite schwimmen?»
    «Warte einen Augenblick.» Aymáho ging in die Hocke und langte nach seinem Kupfermesser, das auf seinen Schnüren lag. Er hob es auf Augenhöhe, ebenso die linke Hand. Als die Klinge seinen Handrücken ritzte, dass ein dicker Blutstropfen herausrann, ging ein entsetztes Raunen durch die Meute hinter ihm.
    «Manche sagen, du seist verrückt, Aymáho», knurrte To’anga. «Und es ist wahr.»
    «Aymáho!» Eine feiste Hand schlug auf seine Schulter. Er fuhr hoch und blickte in Yamis erhitztes Gesicht. Fassungslos schüttelte sie den Kopf. «Entweder stirbst du bald, sehr bald, oder du wirst uralt, und nicht einmal der Chullachaqui wird sich an dich noch heranwagen.»
    Tiacca, die hinter ihr stand, war bleich geworden. Ihre Lippen öffneten sich. Doch sie schwieg.
    Herausfordernd wandte er sich To’anga zu. Würde sein Gegner wagen, gleichzuziehen? Unschwer war auf To’angas Gesicht abzulesen, dass er die Sache mit dem Schweineblut zu bereuen begann. Er könnte dies hier ablehnen, ohne sein Gesicht zu verlieren. Nicht jedoch nach dem, was er getan hatte.
    Er bückte sich nach seinem Messer und schnitt in seinen Daumen. Er konnte nicht verbergen, dass seine Hand zitterte.
    «Ich lasse dir die Wahl, wer zuerst springen soll», sagte Aymáho. «Geschieht beim Ersten ein Unglück, muss der Zweite nicht mehr springen. Er hat gewonnen.»
    To’anga hielt sich die Hand, als sei sie schwer verletzt. Sein Blick irrlichterte zwischen Aymáho und dem See hin und her. «Du», murmelte er.
    Aymáho legte eine Hand hinter sein rechtes Ohr. «Was hast du gesagt? Ich habe dich nicht verstanden.»
    Schnaufend holte To’anga Luft. «Du springst zuerst!», schrie er widerwillig. «Schließlich war dieser Irrsinn, dass wir uns verletzen sollen, deine Idee.»
    Hörte Aymáho da ein gehauchtes
Nein!
dicht hinter sich? Er lächelte. To’anga hätte nur rechtzeitig begreifen müssen, wem Tiaccas Herz gehörte. Dann wäre er jetzt nicht dem Tod geweiht.
    Er trat an den Rand des Felsens. Still waren die Dorfbewohner in seinem Rücken; die allgegenwärtigen Geräusche des Flusses und des Waldes übertönten ihr angespanntes Atmen. Im Wasser meinte er silbrig glänzende Leiber auszumachen. Kurz schloss er die Augen und betete darum, dass der Geist der Vogelspinne noch in ihm war. Dann warf er sich nach vorne, streckte die Arme über den Körper und fiel in die Tiefe.
    Grünliche Finsternis hüllte ihn ein. Aymáho hielt sich nicht damit auf, nach dem Schwarm Ausschau zu halten. Auch nicht, möglichst behutsame Bewegungen zu machen. Allein Behendigkeit konnte ihn retten. Mit kräftigen Armstößen durchpflügte er das Wasser. Blind und taub schoss er ans andere Ufer, und als seine Hände auf Grund stießen, war er selbst überrascht, wie schnell er gewesen war. Er hastete die Böschung hinauf und warf sich auf den Knien herum. Am Bein und an der Hüfte, ganz unbemerkt, hatten sich zwei Piranhas verbissen. Aymáho riss sie ab und schleuderte sie fort.
    Silbrige Schuppenleiber wühlten das Wasser auf. Nur langsam glättete sich die Oberfläche. Dann war alles wie zuvor.
    To’anga stand oben am Fels, die anderen im Halbkreis hinter ihm. Nichts ließ von hier aus erkennen, ob er Furcht hatte oder was er dachte.
    Er wartete lange. Nicht einmal die Kinder wagten die Stille zu unterbrechen. Sie knieten zu seinen Seiten an der Kante und spähten nach dem Schwarm. Doch der war wieder unsichtbar. Fort vielleicht.
    To’anga tat einen tiefen Atemzug. Im nächsten Augenblick hatte er sich vom Felsen geworfen.
    Er folgte Aymáhos Beispiel und machte kräftige Schwimmstöße. Waren die Dorfleute bei

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