Die Bucht des grünen Mondes
zusammen, als Diego etwas davon auf seine Schulter goss und mit einem Lumpen darüberrieb, bis seine Haut mit den Falkentätowierungen zum Vorschein kam.
«Was trägst du denn da für einen Dreck mit dir herum?» Diego griff nach der Lederschnur, die Aymáho um den Hals hing. Wohlweislich hatte Aymáho seine Amulette in Lehmklümpchen gehüllt und geschwärzt, damit niemand sie begehrte. «Das da stört jedenfalls.»
Aymáho schnellte hoch. Er schlug die Stirn gegen Diegos Kopf. Den betäubenden Schmerz missachtend, rammte er ihm zugleich den Fuß ins Gemächt. Diego ruderte mit den Armen; die Schale klapperte zu Boden, den Inhalt auf Aymáhos Schenkel ergießend. Er drehte sich, taumelte einige Schritte und sackte vor der Feuerstelle nieder. Aymáho warf sich auf ihn, presste das Knie auf den Nacken des Mannes. Die Frau blieb stumm und glotzte nur erstaunt; ihre Hände ruhten auf dem Schoß, während das Gesicht ihres Mannes in der Glut verbrannte.
Schritte auf der Plattform ließen die Hütte erbeben. Diego zappelte wie ein aufgespießter Käfer. Das Messer hatte er verloren. Fahrig sah sich Aymáho danach um. Wenn er es nicht augenblicklich fand …
«Eh, Diego, was ist los?», kam es von draußen. Der Feiste, den Diego Postiga genannt hatte. Noch klang er nicht sonderlich beunruhigt. «Hat dein Weib da so gebrüllt?»
Aus dem Augenwinkel sah Aymáho, wie sich der Vorhang verdunkelte. Dort, das Messer. Rücklings ließ er sich darauffallen. Seine Finger tasteten danach, fanden es – stießen es fort. Er fluchte unterdrückt. Dann hatte er es endlich umschlossen. Er starrte zum Eingang. Der Ambue’y zog den Vorhang beiseite und trat ein. Aymáho mühte sich, die Fessel durchzuschneiden. Die Klinge war schartig, seine Finger gefühllos. Er starrte auf Postiga, wollte ihn allein mit seinem Willen aufhalten, während er mehr die eigene Haut als die Lederschnur traktierte.
Postigas Hand fuhr an seinen Bauch, ergriff die eiserne Waffe.
Endlich riss die Fessel. Aymáho sprang hoch und stürzte auf den Ambue’y zu. Nur einen Herzschlag später hatte er die rostige Klinge über dessen Kehle gezogen. Er rannte hinaus, achtete nicht auf den sterbenden Ambue’y, nicht auf all die anderen. Kopfüber sprang er in den Fluss.
Trübes Wasser umschloss ihn. Er sah nichts, spürte nichts. Nur der Gedanke, fort von dem Boot zu kommen, beherrschte ihn. Dumpf knallte es; um ihn schlugen die Geschosse der andersartigen Waffen ein. Es war, wie durch den See der Piranhas zu preschen, nur musste er noch schneller sein. Und das Ufer bedeutete keineswegs Rettung. Er spürte Pflanzen unter den Fingern, wagte aber nicht, jetzt schon aufzutauchen. Seine Lungen wollten bersten. Weiter kämpfte er sich, weiter, weiter.
Endlich wagte er es, das Gesicht aus dem Wasser zu recken.
Er drehte den Kopf, erwartete, das Boot dicht vor sich aufragen zu sehen. Doch es war überraschend weit entfernt. Rasch verbarg er sich in einem Geflecht aus Wurzeln. Die Fremden hatten es aufgegeben, auf ihn zu schießen. Einer stand noch am Rand der Plattform und hielt Ausschau, während die anderen verwirrt hin und her stapften. Sie zerrten die Frau heraus und brüllten auf sie ein, als trüge sie die Schuld an seiner Flucht. Plötzlich riss der Feiste eine ähnliche Waffe, nur kleiner und kürzer, aus seiner Kleidung und drückte sie ihr an den Kopf. Es knallte. Langsam sackte Diegos Frau auf die Knie, dann auf die Brust. In einem kleinen Bogen sprudelte das Blut aus ihrem Hinterkopf.
13. Kapitel
Es war wieder Vollmond. Das Dorf war auf dem Platz versammelt, kleine Feuer brannten, es duftete nach gebratenem Fisch und gerösteten Bananen. Die Alten erzählten Geschichten von Yacurona, der Geist-Frau des Wassers, die in solchen Nächten ihren Zauber auf die rosafarbenen Delfine warf. Dann wallten die Säfte in den Delfinen hoch, und sie verwandelten sich in Menschen, um den Fluss zu verlassen und sich andere Menschen einzufangen. Sie lockten sie nach Encante, wo sie sich liebten, wo Yacurona sich die schönsten Männer wählte, wo sie alle beisammensaßen und sich Geschichten erzählten, vom Weltenbaum, der die Große Schlange und die Fische hervorgebracht hatte. Dann stieg der Sonnengott Guaraci zum ersten Mal aus dem Wasser und ließ die Äste erstrahlen. Die Früchte reiften augenblicklich und fielen in den Fluss …
«… und die Fische stoben empor und schnappten danach. Das Fruchtfleisch spritzte durch die Luft und verwandelte sich in
Weitere Kostenlose Bücher