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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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angemalt hast. Die glaubten, du wärst ein Geist.»
    Aber er war ja ein Geist. Der Kazike hatte ihn dazu gemacht. Oder nicht? Aymáho versuchte nachzudenken, aber die pochenden Schmerzen an seiner Schläfe machten es mehr als mühsam. Er wollte erklären, dass er zumindest für den Umlauf zweier Monate ein Geist war, aber es erschien ihm nicht wert, deshalb seine Zunge zu bemühen.
    «Und du?», murmelte er schwerfällig. «Weshalb lebst du noch?»
    «Ich weiß nicht.»
    «Leben noch Menschen deines Stammes?»
    «Weiß nicht.»
    Was immer der Alte erlebt hatte, es hatte ihn einiges von seinem Verstand gekostet. Seine Gestalt erinnerte Aymáho an die des Kaziken. Als säße Rendapu selbst hier und müsse sich eingestehen, alle Weisheit und Führung aus den Händen gerissen bekommen zu haben. Aymáho drängte den Gedanken beiseite. «Sieh mich an!», zischte er dem Mann zu. Der tat es langsam. «Wie ist dein Name?»
    «Gauháta», erwiderte er mit einer Mattigkeit, die Aymáho aufbrachte.
    «Gauháta», wiederholte er. Es war gut, die Menschen bei ihrem Namen anzureden. Es weckte ihr Vertrauen. «Erzähl mir alles, was du über diese Männer weißt, Gauháta. Alles, was passiert ist.»
    «Sie nennen uns, die Ava,
Indios
.» Gauháta rollte die Augen. «Ich weiß nichts. Nein, ich weiß sonst nichts.»
    «Erinnere dich. Bei Tupans Weisheit, erinnere dich!»
    «Warum? Es quält nur.»
    Seufzend legte Aymáho die pochende Stirn auf die Knie. Es war ein Fehler gewesen, sich den
Anderen
zu stellen. Sie sprachen nicht seine Zunge; wie sollte er herausfinden, wie groß die Gefahr für seinen Stamm, die Yayasacu, war? Wo befand sich dieses Boot überhaupt? Er blickte sich um, versuchte sich am Stand der Sonne, am Moosbewuchs der Baumstämme und an der Farbe des Wassers zu orientieren. So hatte er den Ort der Schädel gefunden. Das hellbraune Wasser gehörte dem Weißen Fluss – die Fahrt ging nach Süden.
    Irgendwann hielt das Boot auf eine Hütte am Ufer zu. Auf Stelzen schwebte sie über dem Wasser. Ein Mann ließ sich vom Lärmen des Bootes herauslocken. Ein Ava, doch gekleidet war er wie die Fremden. In unterwürfiger Haltung wartete er auf der Plattform vor der Hütte. Als das Boot die verrotteten Bohlen streifte, sodass das ganze Gerüst zusammenzubrechen drohte, stieß der Feiste Gauháta über die Bootswand.
    «Ein Sklave für dein Gebiet, Diego.»
    Der Ava verbeugte sich mehrfach. «Danke, danke!»
    «Und was machen wir mit dem?» Der Fette deutete mit seiner Waffe auf Aymáho. «Den kann man nicht zum Kautschuksammeln ausschicken, der haut ab. Der Alte wird sicher auch verschwinden. Ich sag’s immer, es bringt nichts, einzelne Männer einzufangen. Es braucht auch die Frau oder ein Kind dazu, damit er tut, was man ihm sagt.»
    Aymáho sah sich aus mehreren Augenpaaren gemustert. Was immer sie sich für ihn soeben ausdachten, es war nichts Gutes.
    «Aber er ist groß und kräftig. Wäre schade um ihn. Was ist das eigentlich für ein ekelhaftes Zeug? Ich hätte ihn ja fast umgebracht deswegen.» Der Bärtige wischte über Aymáhos Brust. «Wir nehmen ihn mit zur Baustelle. Dort legen wir ihn in Ketten.»
    «Tagelang den Kerl mitschleppen? Ich wette, er wird nur Schwierigkeiten machen. Zu tun gibt’s auf dem Boot auch nichts für ihn. Nein, er ist eine Last, wir töten ihn.»
    Nachdenklich rieb sich der Andere durch den Bart. Aymáho bemühte sich, den Blick gesenkt zu halten. Plötzlich lachte der Mann auf. «Ach, du hast nur Angst, weil er so grässlich aussieht. Gib’s zu!» Das Knurren des Dicken missachtend, wandte er sich an den Ava: «Bürste ihm das Zeug herunter, damit er wieder wie ein Mensch aussieht. Falls sich darunter ein Mensch befindet.»
    Gelächter. Der hagere Ava rang seine Hände. «Gut, aber ein, zwei Stunden dauert das schon, die Jenipapo ist hartnäckig, man muss Seife aufkochen …»
    «Dann tu das! Und du, hoch mit dir.»
    Das metallene Rohr schwebte dicht vor Aymáhos Augen. Den wuchtigen Gesten des Mannes nach sollte er sich erheben. Es bereitete ihm einige Mühe, da ihn der Kopfschmerz zurück auf die Knie zwingen wollte. Schließlich stand er auf der schwankenden Plattform. Die Waffe stieß in seinen Rücken und zwang ihn und Gauháta ins Haus. Hier mussten sie sich wieder hinhocken. Aymáho war froh darum, dass die Ambue’y auf ihr Boot zurückkehrten. Er lauschte, ob sie auch ablegten, aber das taten sie nicht.
    Der Ava ließ die Eingangsmatte hinter sich fallen. Das dämmrige Licht

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