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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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musterte sie ihn wie jemand, der einen Fisch öffnete, um zu prüfen, ob er nicht voller Würmer war. Ihre buschigen Brauen waren unheilvoll gegeneinandergeschoben. Er wusste, dass sie ihn nie wirklich gemocht hatte. Immer brachte er Unruhe ins Dorf. Ganz gewiss ahnte sie, dass es diesmal nicht anders, sondern nur mehr schlimmer kam.
    Doch mit einem Mal zeigte sie ihre schiefen Zähne, wie üblich fleckig vom Kauchu. Niemand sonst kaute das Zeug so gern wie sie. «Willkommen zurück in der Welt der Lebenden, Aymáho. Ich hätte ja nicht erwartet, dass du zurückkehrst, aber da du nun einmal da bist …», ihr Lächeln verbreiterte sich zu einem frechen Grinsen. «Also will ich deine Wunden versorgen.»
    Er hatte sich zu einer Quelle zurückgezogen, die aus einer mannshohen Felswand sprudelte und ein felsendurchzogenes Becken füllte, in dem sich aufzuhalten weitgehend gefahrlos war. Gewöhnlich wusch sich hier ständig jemand, hielten die Frauen Schwätzchen und vertändelten ihre Zeit. Als er gekommen war, um sich zu reinigen und seine Wunden zu kühlen, waren sie hinausgesprungen. Nun reckten sie hinter Yami die Hälse. Jeder verhielt sich in diesen drei Tagen wie ein aufgeschreckter Vogel, ratlos, wie man sich einem Fast-noch-Geist gegenüber verhielt.
    Er hockte auf einem der rundlichen Felsen, die Beine bis zu den Knien im klaren Wasser. Yamis mächtige Brüste schwangen hin und her, während sie mühselig über die glitschigen Felsen zu ihm stapfte. Sie reckte sich nach ihm, berührte sein Knie und seine Brust.
    «Du bist geschwächt.» Über die Schulter rief sie den Frauen zu: «Bringt den Samen der Guaraná. Gemörsert in Saft! Honig dazu!» Und wieder ihm zugewandt: «Das wird dich stärken.»
    Sie neigte sich vor. «Ah, Flohbisse. Wirklich unangenehm. Und das? Ein Skorpion», ihr Blick fuhr über einen verschorften Biss an seiner Wade und wanderte dann weiter an ihm herauf. «Was ist das an deiner Schläfe? Es sieht aus wie aufgerissen und verbrannt.»
    Sie berührte die Wunde, welche die Waffe der
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geschlagen hatte. Tagelang hatte er unter Fieber gelitten, was der Grund dafür gewesen war, auf einen äußerst großen Skorpion getreten zu sein, den man normalerweise nur schwerlich übersehen konnte. Glücklicherweise waren gerade die großen Skorpione am wenigsten gefährlich.
    Dass er den Rückweg überlebt hatte, erschien ihm noch immer unbegreiflich.
    «Arara-Farnkraut und Schildkrötenfett!», rief Yami über die Schulter. Es war Tiacca, die sich eilte, das Geforderte zu bringen. Als er den Guaranátrank aus ihrer Hand nahm, berührte er sie mit den Fingerspitzen. Furchtlos blickte sie ihm ins Gesicht. Kühl. Oder täuschte er sich? Da war ein Funkeln in ihren Augen, das er nicht zu deuten wusste. Es mochte der Vorwurf sein, dass er To’anga auf dem Gewissen hatte. Oder Bedauern, dass sie ihn, Aymáho, abgewiesen hatte?
    «Warum hattest du deinen Körper mit Jenipapo eingerieben?» Yami nahm die Schale mit dem zerrupften Farn an sich, schöpfte Wasser dazu und knetete ihn zu einer Masse, die sie auf seine Schläfenverletzung auftrug.
    Aymáho sah an sich hinunter. Im Laufe der Tage war das Schwarz der Jenipapofrucht verlorengegangen; an manchen Stellen war es noch zu erahnen. Hinter Yami und Tiacca starrten die Frauen ihn an und tuschelten erregt, was er wohl erlebt haben mochte.
    «Yami, erinnerst du dich an die Geschichten über die Ambue’y?», fragte er.
    «Ambue’y!» Ihre Gesichtszüge entglitten ihr. «Weshalb fragst du das?»
    «Diese Wunde schlug eine ihrer Waffen», er berührte die Schicht von Farnkraut, unter der die Kerbe spürbar war. «Sie sind wie Blasrohre. Nur dass man nicht hineinbläst. Und dass sie weitaus gefährlicher sind.»
    Sie bückte sich und wusch die Spuren des Farnkrauts von ihren Fingern. «Ach ja? Hätte ein Blasrohrpfeil dich getroffen, wärst du tot.»
    «Ich wüsste gerne, ob es für einen Ava möglich ist, eine solche Waffe zu gebrauchen. Oder ob ein Zauber nötig ist, den nur ein Ambue’y beherrscht. Sagen die Legenden etwas darüber?»
    Mit zornfunkelndem Gesicht fuhr Yami hoch. Heftig riss sie die Hände hoch, sodass die Fettwülste unter ihren Armen wackelten. «Vor langer Zeit habe ich geschworen, nie wieder ein Wort über diese … Menschen zu verlieren.»
    «Das hast du getan?»
    «Das ganze Dorf hatte es getan.»
    «Weshalb?», fragte er verblüfft. Und da sie nicht reagierte, legte er eine Hand hinter sein Ohr. «Ich habe dich nicht richtig

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