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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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‹Mamãe›, deren Blick bei dem für sie unverständlichen Wortwechsel zusehends finsterer geworden war. Ein Nicken begleitete die Antwort. Mit triumphierendem Lächeln wandte sich Florinda ihm wieder zu. «Mamãe weiß es! Hab ich’s nicht gesagt? Sie sagt, er sei auch schon hier gewesen.»
     
    Die Frau hatte das Körbchen auf den Schoß gehoben und streichelte den gähnenden Affen. Zum ersten Mal entspannten sich ihre sonst so harten Züge. Unwillkürlich stellte sich Aymáho vor, wie sich Hände auf ihr Gesicht pressten, sich eine Nadel in ihre Lippen bohrte und wie sie an ihrem Geschrei zu ersticken drohte, während Blut über ihr Kinn rann. Es war ein hübsches Gesicht, das da zerstört worden war. Mit Pasten und Kohlestrichen hatte sie die Spuren ihrer Vergangenheit zu bedecken versucht. Trotz ihres Verfalls strahlte sie etwas aus, das einen glauben ließ, dass die Männer gerne auf ihren Körper krochen.
    «Sie weiß nicht, wer er ist. Sie weiß nur, er ist unglaublich reich», übersetzte Florinda, die an ihrer Seite hockte und sich mühte, den Affen immer dort anzufassen, wo ihrer Ziehmutter Hand nicht war. Die Worte der Frau kamen stockend. Ihre Brauen waren wieder unheilvoll gesenkt. Aus des Mädchens Mund erfuhr Aymáho, dass Wittstock noch einen zweiten Namen besaß, Kilian. Sechsmal war er hier gewesen. Er pflegte Mamãe während des Beischlafs zu schlagen und sie anzubrüllen, sie habe seinen toten Sohn auf dem Gewissen. Sie versicherte dann, dass es ihr leidtäte, ohne je zu erfahren, was für eine Geschichte dahintersteckte.
    «Sie sagt, sie erträgt ihn, weil er hinterher freundlich ist und sie sehr großzügig bezahlt. Aber eigentlich kann er sie nicht leiden, weil sie eine Ava ist.»
    Es befremdete ihn, dass dieses junge Mädchen so nüchtern davon sprach, als erklärte es, wie man am besten Schildkröteneier vergrub, damit sie gut durchfaulten. Wittstock Kilian wollte jedes Mal die Geschichte hören, wie es zu Mamães Narben gekommen war. Dann strich er darüber, und es erregte ihn. Und gerne hielt er ihren Mund zu und genoss, wie sie in seine Hand stöhnte. All dies berichtete Mamãe stockend, die Augen voller Abscheu, während sie die Finger ins Affenfell grub.
    «Wann wird er wieder hier sein?», fragte Aymáho.
    «Das weiß sie nicht. Das letzte Mal ist erst ein paar Tage her. Willst du ihn umbringen? Aber das gefällt Mamãe vielleicht nicht; er ist doch so großzügig.»
    Er ist ein Ungeheuer
, dachte Aymáho.
Der menschgewordene Vantu. Der Tod ist das Einzige, was er verdient
.
    «Weiß Mamãe, wo er zu finden ist?»
    Florinda übersetzte seine Frage. Er rechnete nicht mit einer hilfreichen Antwort, doch die Frau nickte. «Er hat von seinem Haus erzählt», sagte Florinda eifrig. «Sie meint, sie könnte es wohl gut genug beschreiben, dass du es findest.»
     
    Mit ihrer Hilfe und der des Geistes der Vogelspinne fand er es schneller als erwartet. Er musste nur seinen Einbaum in einen breiten, nach Norden führenden Igarapé lenken. Es schien, als hauchten die Geister ihm zu, in welchen davon abzweigenden Wasserlauf er einbiegen musste. Dieser war wesentlich schmaler und kurz; so stieß sein Einbaum bald an eine Steintreppe, die zu einer Maueröffnung führte. Er sprang auf die nasse Erde, zog das Boot auf die Böschung und verbarg es hinter einem Gebüsch. Dann hängte er sich den Köcher um die Schulter und nahm den Bogen. Er wollte die moosbewachsene Treppe hinauf. Wenn er sich nicht täuschte, so lag hinter der Mauer das gesuchte Haus. Wie er dann weiter vorgehen wollte – er würde es seinem Instinkt überlassen. Seinem Totem und dem Geist der Spinne.
    Und seinem Hass.
    Der Lärmgeist in ihm trommelte und schrillte mit aller Macht, als wolle er ihn zurückhalten. Ein Unbehagen machte seine Schritte schwer. Doch der Geist der Vogelspinne trieb ihn vorwärts:
Dort hinauf musst du, dort ist das Nest der Ameisenkönigin
. Florindas Stimme setzte sich in seinem Kopf fest:
Das Haus ist hinter Mauern verborgen. Es hat eine Wiese, die so fein und glatt ist wie der Hintern eines Säuglings, sagt Mamãe. Du musst
 …
    Fast hatte er die oberste Stufe erreicht. Er konnte diesen feinen Grasteppich bereits ausmachen. Es hatte geregnet, die Halme glitzerten im Mondlicht.
    Eine weiße Gestalt kam über einen der Wege.
    Ein Geist, eine Göttin? Der eine Gott der
Anderen
?
    Aymáho wich zurück. Es war besser, erst das Verschwinden dieser Erscheinung abzuwarten. Als er rücklings eine Stufe

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