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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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führen lassen!», schrie er ihn an. «Mein Totem ist der Falke. Selbst wenn ich ruhig dem Abschlachten meines Volkes zusehen wollte – ich könnte es nicht.»
    Er stieß ihn von sich und spuckte das Brot über ihm aus. Der Länge nach schlug der Ambue’y hin.
    Was die anderen taten, entzog sich Aymáho, denn er wandte sich ab und lief den Weg zurück, den er gekommen war. Wahrscheinlich taten sie nichts, empörten sich nicht einmal. Mochten sie die Gewalt der
Anderen
überlebt haben, so hatten sie doch ihre Seelen an deren Futtertrögen verloren. Niemals wieder würde er das Essen eines Ambue’y annehmen, das schwor er sich.
    Wieder im Freien, ging er einige Schritte in die eine, dann in die andere Richtung. Wie sollte er jemals das Haus Wittstocks finden? Alles war zu groß, zu verwirrend, und er verstand die Sprache nicht.
    Da sah er es.

14. Kapitel
    Es war das größte aller Häuser. Und es war von der Farbe der Siyuoca. Über dem Dach wölbte sich eine goldene, von nächtlichem Licht angestrahlte Kuppel wie ein gewaltiges, vollkommen gleichförmiges Nest. Dies, nur dies, konnte das Haus der Ameisenkönigin sein.
    Der Geist der Vogelspinne schien in Aymáhos Magen zu flattern. Er berührte den Lehmklumpen auf seiner Brust, in dem seine drei schützenden Amulette verborgen waren. Tupan und alle Götter und Geister mussten ihm jetzt beistehen.
    Männer und Frauen strömten auf einen erhöhten Platz, der umfasst war von einer Steinmauer. Sie kamen aus dem Bau der Ameisenkönigin. Die Männer in schwarzer Kleidung, einer wie der andere gleich. Die Frauen in aller Farbenpracht. Trotz der Fülle der Stoffe, der Tierfelle um ihren Schultern und all den bizarren Dingen, die sie auf den Köpfen trugen, waren ihre Schritte leicht. Ihr entenhaftes Geschnatter erfüllte die Luft.
    So standen sie beieinander dort oben, ließen sich Tränke in durchschimmernden Gefäßen bringen und versprühten den Eindruck, in dieser Welt voller Andersartigkeit noch einmal ganz anders zu sein.
    Vielleicht waren es doch Götter.
    Welcher war der Richtige, der Eine? Sicherlich würde er sich von den anderen unterscheiden, wie ja auch der Kazike die größte und prächtigste Federkrone trug. Aymáho beschloss, einfach vor ihn zu treten und den Blasrohrpfeil in eines seiner Augen zu schießen. Dann wäre zwar auch sein eigenes Leben verwirkt, aber das schreckte ihn nicht.
    Er lächelte. Mit solcher Tollkühnheit zu handeln, den Tod missachtend – es war genau das, was sein Stamm von ihm erwartete. Deshalb stand
er
hier und kein anderer.
    Der nadelartige Pfeil war bereits mit Lianengift getränkt und steckte im Bambusrohr. Es hing an einer Kordel um seine Mitte. Während er auf die Rampe zuschritt, die zu den versammelten Ambue’y hinaufführte, begann er es abzuknüpfen.
    Ein Mann stellte sich ihm in den Weg. Er hatte die gefährliche Waffe der Ambue’y geschultert.
    «Halt! Hier geht’s nicht weiter. Mach, dass du verschwindest.»
    Aymáho duckte sich leicht. Seine Augen zuckten, suchten einen Weg an ihm vorbei. Der
Andere
musterte ihn gewohnt feindselig.
    «Hast dich aus dem Urwald hierher verirrt, was? Gib mir deinen Bogen und das Blasrohr.»
    Sein Blick verriet, worauf er abzielte. Anscheinend begehrte hier jeder seine Waffen, obwohl sie so viel gefährlichere besaßen. Aymáhos Hand schloss sich um das Rohr. Er musste sich beherrschen, es nicht von der Kordel zu reißen und dem Mann das Gift ins Gesicht zu jagen. Nicht die Besonnenheit hielt ihn davon ab, sondern dass es Zeit kosten würde, einen neuen Pfeil für Wittstock einzulegen.
    Ein zweiter Mann kam heran. Auch er trug eine Waffe, die Eisen verschießen konnte.
    «Lass ihn, Juan. Das Tragen von Waffen ist einem Indio nicht verboten.»
    «Ha! Weil sie keine besitzen! Hast du
so einen
schon einmal hier gesehen?»
    «Nein. Lass ihn gehen.»
    «Mir passt nicht, wie er mich ansieht …»
    «Und ich habe keine Lust auf Ärger. Wir haben mit dem Bewachen der Diamantenträger da oben genug zu tun.»
    Sie schienen sich nicht einig. Aymáho entfernte sich rückwärtsgehend einige Schritte. Da ließen sie von ihm ab und schlenderten wieder den Aufweg hinauf. Er bezweifelte, an den anderen Ecken des Platzes mehr Glück zu haben. Im Schatten einer Mauer aus rötlichen Steinen lief er erneut um den Bau herum. Es gab viele Wege hinauf, doch alle waren bewacht. Rund um die Mauer standen dicht an dicht schwarzglänzende Kästen, die anscheinend dazu dienten, den Ambue’y das Laufen

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