Die Buecher und das Paradies
nennen, dem falschen Wissen der liberalen und jüdischen Wissenschaft entgegengesetzt. Überdies erschien eine solche »Glazial-kosmogonie« sehr nordisch und arisch. Louis Pauwels und Jacques Bergier 10 führen Hitlers Zuversicht, daß seine Truppen mit dem eisigen russischen Winter sehr gut zurechtkommen würden, auf diesen tiefen Glauben an die glazialen Ursprünge des Universums zurück. Aber sie vermuten auch, daß die für nötig gehaltene Prüfung, wie das kosmische Eis reagieren würde, die Experimente mit der V2 verzögert habe. Noch 1952 veröffentlicht ein gewisser Elmar Brugg ein Buch zu Ehren von Hörbiger als dem »Kopernikus des 20. Jahrhunderts«, in dem er behauptet, die Welteislehre erkläre die tiefen Bande, die das irdische Geschehen mit den kosmischen Kräften verbinde, und zu dem Schluß kommt, das Schweigen der »jüdisch-demokratischen« Wissenschaft über Hörbiger sei ein typischer Fall von Verschwörung der Mittelmäßigen.
Daß sich im Umfeld der NS-Partei Verfechter von magischhermetischen und neutempleristischen Wissenschaften tummelten, beispielsweise die Adepten der von Rudolf von Sebottendorff gegründeten Thule-Gesellschaft, ist ein breit untersuchtes Phänomen. 14 Im NS-Milieu soll auch noch einer anderen Theorie Gehör geschenkt worden sein, der zufolge die Erde innen hohl ist und wir nicht außen auf ihrer konvexen Kruste leben, sondern innen an ihrer konkaven Wölbung. Diese Theorie war bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts von einem gewissen Captain J. Cleves Symmes aus Ohio vertreten worden, der 1818 an verschiedene wissenschaftliche Gesellschaften geschrieben hatte: »An alle Welt: Ich erkläre, daß die Erde innen hohl und bewohnbar ist; sie enthält eine gewisse Anzahl solider Sphären, die konzentrisch sind, das heißt ineinandergeschoben, und sie ist an den beiden Polen offen in einer Breite von zwölf bis sechzehn Grad.« Ein Holzmodell seines Universums wird noch heute in der Academy of Natural Sciences von Philadelphia aufbewahrt.
Die Theorie war dann nach der Mitte des Jahrhunderts von einem anderen Amerikaner namens Cyrus R. Teed aufgegriffen und weiterentwickelt worden: Was wir für den Himmel hielten, sei eine Masse aus dunklem Gas, durchsetzt mit Zonen von strahlendem Licht, die das Innere der Kugel erfülle. Sonne, Mond und Sterne seien keine Himmelskörper, sondern visuelle Effekte, die durch verschiedene Phänomene hervorgerufen würden.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Theorie in Deutschland perfektioniert, zuerst von einem Peter Bender und dann von Karl Neupert, dem Begründer der »Hohlweltlehre«, der eine regelrechte Bewegung ins Leben rief. Nach Aussage einiger Zeitzeugen 15 wurde die Theorie in NS-Führungskreisen durchaus ernst genommen, und in Teilen der deutschen Marine habe man geglaubt, mit der Hohlweltlehre werde es möglich, die Positionen der britischen Schiffe genauer zu bestimmen, denn bei Benutzung von Infrarotstrahlen werde die Beobachtung nicht mehr durch die Krümmung der Erdoberfläche behindert. Es heißt sogar, einige V2-Raketen hätten ihre Ziele nur deshalb verfehlt, weil ihre Flugbahnen ausgehend von der Annahme einer konkaven und nicht konvexen Erdoberfläche berechnet worden seien. Woran man sieht - wenn es stimmt -, welche segensreiche und geschichtsmächtige Wirkung delirante Astronomien haben können.
Aber es ist leicht zu sagen, daß die Nazis eben verrückt waren und inzwischen - außer dem guten Martin Bormann, der immer noch irgendwo versteckt sein soll -alle tot sind. Tatsache ist, daß man, wenn man im Internet mit einer beliebigen Suchmaschine nach Websites zum Thema Hohlwelt oder Hollow Earth sucht, immer noch sehr viele Anhänger der Theorie findet. Und es ist müßig zu sagen, daß diese Websites (und die Bücher, für die sie werben) von raffinierten Schwindlern produziert worden sind, die auf ein Publikum aus leicht verführbaren New-Age-Trotteln und/oder -Gläubigen spekulieren. Das soziale und kulturelle Problem sind nicht die Schwindler, sondern die Trottel, deren Zahl offensichtlich noch immer Legion ist. 11
Was verbindet nun all diese Fiktionen, von denen ich hier gesprochen habe, und was hat sie so überzeugend und glaubwürdig gemacht?
Die Konstantinische Schenkung war vermutlich nicht als bewußte Fälschung entstanden, sondern als rhetorische Übung, die erst später jemand ernst zu nehmen begann. Die Manifeste der Rosenkreuzer waren, jedenfalls nach Aussage ihrer mutmaßlichen Autoren, ein gelehrter
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