Die Buecher und das Paradies
gehabt. Das Freimaurertum als symbolische Transformation des realen Maurerwesens (vertreten durch Handwerkerbünde, die sich Begriffe und Zeremonien der alten Kathedralenerbauer über die Jahrhunderte bewahrt hatten) entstand im 18. Jahrhundert durch Initiative einiger englischer Aristokraten. Mit den »Konstitutionen« von Anderson versuchten die Freimaurer sich zu legitimieren, indem sie ihren Ursprung auf die Erbauer des Salomonischen Tempels zurückführten. Mit der einige Jahre später durch Ramsay erfolgten Gründung der sogenannten »schottischen« Freimaurerei erweiterte sich dieser Ursprungsmythos um die Beziehung zwischen den Erbauern des Tempels und den Tempelrittern, deren geheime Traditionen angeblich durch Vermittlung der Rosenkreuzer in die Freimaurerei eingebracht worden seien.
Hatte im ursprünglichen Freimaurertum das Rosenkreuzerthema mystische und okkultistische Elemente in eine Organisation eingeführt, die sich als konkurrierend mit Thron und Altar verstand, so war es zu Beginn des 19. Jahrhunderts gerade die Verteidigung von Thron und Altar, um derentwillen der Rosenkreuzer- und Templermythos wiederaufgenommen wurde, um mit ihm den Geist der Aufklärung zu bekämpfen.
Über den Mythos der Geheimgesellschaften und die Frage, ob es »Unbekannte Obere« gebe, die die Geschicke der Welt lenkten, wurde schon vor der Französischen Revolution diskutiert. 1789 warnte ein angeblicher Marquis de Luchet (in seinem Essai sur la secte des illuminés), es habe sich »inmitten der dichtesten Finsternis eine Gesellschaft von neuen Wesen gebildet, die sich kennen, ohne sich je gesehen zu haben ... Diese Gesellschaft übernimmt vom Jesuitenregime den blinden Gehorsam, von der Freimaurerei die Prüfungen und die äußeren Zeremonien, von den Templern die Evokationen der Untergründe und die unglaubliche Kühnheit.«
In den Jahren 1797 - 98 schrieb dann, als Antwort auf die Französische Revolution, der Abbé Barruel seine Mémoires pour servir à l’histoire du jacobinisme, ein dem Anschein nach historisches Werk, das sich jedoch wie ein Schauerroman liest: Nachdem der Templerorden 1307 von Philipp dem Schönen zerschlagen worden ist, verwandeln die Templer sich in eine Geheimgesellschaft mit dem Ziel, die Monarchie und das Papsttum zu stürzen. Im achtzehnten Jahrhundert bemächtigen sie sich der Freimaurerei und gründen eine Art Akademie, deren teuflische Mitglieder Voltaire, Turgot, Condorcet, Diderot und d’Alembert sind - und aus diesem Zirkel gehen die Jakobiner hervor. Doch die Jakobiner werden ihrerseits von einer noch geheimeren Gesellschaft kontrolliert, nämlich den Bayerischen Illuminaten, die Tag und Nacht nur auf Königsmord sinnen. Die Französische Revolution war das Endergebnis dieses Komplotts.
Was störte es da, daß tiefe Differenzen zwischen der laizistisch-aufklärerischen Freimaurerei und jener der »Illuminaten« bestanden, die eher okkultistisch-templerisch war, was störte es, daß der Templermythos bereits durch einen Weggefährten liquidiert worden war, der dann einen anderen Weg eingeschlagen hatte, ich spreche von Joseph de Maistre ... Die Geschichte war einfach zu faszinierend.
Das Buch von Barruel enthielt noch keinerlei Anspielung auf die Juden. Aber 1806 bekam Barruel einen Brief von einem gewissen Hauptmann Simonini, der ihn mit Nachdruck an die jüdische Omnipräsenz erinnerte: Auch Mani (der Begründer des Manichäismus) und der protoislamistische »Alte vom Berge« (mit dem die Templer verdächtigt wurden, sich heimlich verständigt zu haben) seien Juden gewesen - und hier wird das Spiel der verborgenen Ursprungs- und Wechselbeziehungen schwindelerregend. Die Freimaurerei sei von Juden gegründet worden, und sämtliche existierenden Geheimgesellschaften seien von Juden infiltriert.
Barruel griff dieses Gerücht nicht öffentlich auf, und es produzierte auch sonst keine interessanten Ergebnisse bis zur Mitte des Jahrhunderts, als die Jesuiten anfingen, sich über die antiklerikalen Väter des italienischen Risorgimento Sorgen zu machen, über Leute wie Garibaldi, die Verbindungen zu den Freimaurern hatten. Die Idee, den Geheimbund der Carbonari als Handlanger einer jüdischfreimaurerischen Verschwörung hinzustellen, schien ihnen vielversprechend.
Zur selben Zeit versuchten jedoch die antiklerikalen Liberalen ihrerseits, die Jesuiten zu diffamieren und zu beweisen, daß sie nichts anderes täten als Komplotte gegen das Wohl der Menschheit zu schmieden. Mehr noch als
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