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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ganze antarktische Polkappe und deren subtropische Zone erstrecken sollte. Der feste Glaube an die Existenz dieses Kontinents (bekräftigt durch zahllose Weltkarten, die den Globus im Süden von diesem breiten Erdgürtel bedeckt zeigten) hat Seefahrer mindestens dreier Jahrhunderte und diverser Länder zur Erkundung der südlichen Meere und sogar der Antarktis getrieben.
    Was soll man von den Ideen des Eldorado und des Brunnens ewiger Jugend sagen, die unbedachte und couragierte Helden zur Erforschung beider Amerikas getrieben haben? Was von dem Anstoß, den die entstehende Chemie durch die Halluzinationen über das Phantasma des Steins der Weisen erhalten hat? Was von der Fiktion des Phlogistons oder von der des kosmischen Äthers?
    Vergessen wir für einen Moment, daß einige dieser falschen Erzählungen positive Effekte, andere Schrecken und Schande erzeugt haben. Alle haben etwas bewirkt, im Guten wie im Bösen. Nichts ist unerklärlich an ihrem Erfolg. Problematisch ist eher die Antwort auf die Frage, wie es uns gelungen ist, sie durch andere Erzählungen zu ersetzen, die wir heute für wahr halten. In einem Essay über Fälschungen und Nachahmungen bin ich vor einigen Jahren zu dem Schluß gekommen, daß es zwar Mittel und Wege gibt, empirische wie solche der Mutmaßung, um zu prüfen, ob ein Objekt echt oder falsch ist, daß aber jede Entscheidung darüber den Glauben voraussetzt, daß es ein echtes und wahres Original gibt, mit dem man die Fälschung vergleichen kann. Das wahre Erkenntnisproblem liegt somit nicht in der Prüfung, ob etwas falsch ist, sondern im Nachweis, daß das als echt geltende Objekt auch tatsächlich echt ist.
    Diese so selbstverständlich klingende Überlegung darf uns indessen nicht zu dem Schluß verleiten, es gebe kein Kriterium der Wahrheit und als falsch entlarvte Erzählungen seien gleichwertig mit solchen, die wir heute für wahr halten, da beide zur literarischen Gattung der narrativen Fiktion gehörten. Es gibt eine Praxis der Verifizierung, die sich auf die geduldige, kollektive und öffentliche Arbeit dessen gründet, was Charles Sanders Peirce die Community nannte. Und kraft des menschlichen Glaubens an diese Gemeinschaft können wir mit einer gewissen Ruhe sagen, daß die Donatio Constantini eine Fälschung war, daß die Erde sich um die Sonne dreht und Sankt Thomas zumindest wußte, daß sie rund ist.
    Allenfalls muß die Erkenntnis, daß unsere Geschichte von vielen Erzählungen bewegt worden ist, die wir heute als falsch erachten, uns wachsam machen und befähigen, unermüdlich gerade diejenigen Erzählungen in Frage zu stellen, die wir heute für wahr halten, denn das Kriterium der Weisheit einer Gemeinschaft beruht auf der ständigen Wachsamkeit gegenüber der Fehlbarkeit unseres Wissens.
    Vor ein paar Jahren erschien in Frankreich ein Buch des Philosophen Jean-Francis Gautier mit dem Titel L ’unwers existe-til? 13 Gibt es das Universum? Gute Frage. Was, wenn das Universum nur eine Einbildung wäre, so wie der kosmische Äther, das Phlogiston oder die Verschwörung der Weisen von Zion?
    Gautiers Argumentation war philosophisch wohlfundiert. Die Idee des Universums, als Totalität des Kosmos, kommt aus den ältesten Kosmographien, Kosmologien und Kosmogonien. Aber kann man etwas beschreiben, als ob man es von außen sähe, wenn wir selbst darin enthalten, selber ein Teil davon sind und es nicht verlassen können? Kann man das Universum geometrisch beschreiben, wenn es keinen Raum außerhalb von ihm gibt, in den man es projizieren kann? Kann man von einem Anfang des Universums sprechen, wenn ein zeitlicher Begriff wie der des Anfangs sich auf das Parameter einer Uhr beziehen muß, während das Universum höchstens die Uhr seiner selbst ist und sich auf nichts beziehen läßt, was außer ihm liegt? Kann man mit Eddington sagen, »rund hundert Milliarden Sterne konstituieren eine Galaxie; rund hundert Milliarden Galaxien konstituieren das Universum«, wenn, wie Gautier bemerkt, eine Galaxie ein beobachtbares Objekt ist, das Universum aber nicht, so daß man eine unerlaubte Analogie zwischen zwei inkommensurablen Größen herstellt? Kann man das Universum postulieren und dieses Postulat dann mit empirischen Mitteln untersuchen, als wäre es ein Objekt? Kann ein singuläres Objekt existieren (zweifellos das singulärste von allen), dessen Charakteristikum darin besteht, nur ein Gesetz zu sein? Und wenn die Geschichte des Urknalls bloß eine ebenso phantasievolle Erzählung

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