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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Babel darstellt, von der die Menschheit genesen muß, sondern die einzigartige Chance und Gelegenheit, die Gott dem Adam als sprechendem Tier gegeben hatte. Das Wesen der menschlichen Sprachen zu verstehen, die zwar unvollkommen sind, aber zugleich imstande, jene höchste Unvollkommenheit zu verwirklichen, die wir Poesie nennen, stellt die einzige Schlußfolgerung jeder Suche nach Vollkommenheit dar. Babel war kein Unfall gewesen, wir leben seit jeher im Innern des Turms, der erste Dialog zwischen Gott und Adam ist vielleicht auf Finneganesisch geführt worden, und nur indem wir nach Babel zurückkehren und unsere einzige Möglichkeit akzeptieren, können wir unseren Frieden finden und dem Schicksal der menschlichen Gattung ins Auge sehen.
    Angefangen hat diese ganze Geschichte in Dublin, als ein kleiner Junge sich von den Bildern im Book of Kells hat fesseln lassen, und vielleicht von denen der Bücher von Durrow, von Lindisfarne, von Dun Cow ...
    »Once upon the time there was a Dun Cow coming down along the maze and this Dun Cow that was coming down along the maze met a nicens little boy named baby Jim the bachelor ...«
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    Vortrag am 31. Oktober 1991 im Dubliner University College zum Jahrestag der Verleihung des Bachelor of Arts an James Joyce. Die englische Fassung ist erschienen in Umberto Eco und Liberato Santoro Brienza, Talking of Joyce, Dublin, University College Dublin Press, 1998.
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    Diego Poli, »La metafora di Babele e le partitiones nella teoria grammaticale irlandese dell ’Auraicept na n-Eces«, in Diego Poli (ed.), Episteme. Quaderni Linguistid e Filologici, IV, 1986 - 89, Université di Macerata, Istituto di Glottologia e Linguistica Generale.
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    J. S. Atherton, The Books at the Wake, London, Faber, 1959; New York, Viking Press, 1960.
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       Book of Kells (Ms. 58, Trinity College Library Dublin), Kommentar, hrsg. v. Anton von Euw und Peter Fox, Faksimile Verlag, Luzern, 1990.
    Pontifical Institute of Medieval Studies, 1974) und The Hisperica Famina II. Related Poems, hrsg. v. Michael Herren (Toronto, ebenda, 1987).
       Liber monstrorum de diversis generihus, hg. v. Corrado Bologna, Mailand, Bompiani, 1977.

Zwischen La Mancha und Babel 1
    Es kommt mir sehr gelegen, in meiner Danksagung an die hiesige Universität für die mir verliehene Ehre, daß diese Veranstaltung gerade hier in der Mancha und während der Tage stattfindet, in denen wir Jorge Luis Borges feiern. 2 Denn es gab und gibt vielleicht immer noch in dieser Gegend an einem Ort, dessen Namen man uns nicht hat nennen wollen, eine Bibliothek. Diese Bibliothek, die lediglich eine große Zahl von Ritterromanen enthielt, war eine Bibliothek, die man verlassen kann. Tatsächlich beginnt ja die Geschichte des göttlichen Don Quijote genau in dem Moment, da er beschließt, den Ort seiner Phantastereien über Büchern zu verlassen, um sich ins Leben hinauszuwagen. Das tut er jedoch, weil er im Grunde überzeugt ist, in jenen Büchern die Wahrheit gefunden zu haben, so daß es genügen würde, sie nachzuahmen und die darin geschilderten großen Taten zu reproduzieren.
    Dreihundertfünfzig Jahre später erzählt uns Borges die Geschichte einer Bibliothek, die man nicht verlassen kann und in der die Suche nach dem wahren Wort ohne Ende und hoffnungslos ist.
    Zwischen diesen beiden Bibliotheken gibt es eine tiefe Entsprechung: Don Quijote versucht, in der Welt draußen Taten, Abenteuer und edle Damen zu finden, die seine Bibliothek ihm versprochen hat; folglich will und glaubt er, das Universum sei wie seine Bibliothek. Borges, weniger idealistisch, beschließt, daß seine Bibliothek wie das Universum sein soll, und darum sieht er keine Notwendigkeit, sie zu verlassen. Wie man nicht sagen kann: »Haltet die Welt an, ich will aussteigen«, so kann man auch nicht aus seiner Bibliothek hinaus.
    Es gibt viele Geschichten von Bibliotheken. Es gibt verlorene Bibliotheken wie die von Alexandria, und es gibt Bibliotheken, die man, kaum eingetreten, gleich wieder verläßt, weil man feststellt, daß sie nur lauter absurde Geschichten und Ideen enthalten. So etwa die Bibliothek von Saint-Victor, in der Pantagruel, einige Jahrzehnte vor Don Quijotes Geburt, sich an den zahlreichen Büchern ergötzt, die ihm die Weisheit der Jahrhunderte versprechen, die er jedoch, soweit wir wissen, rasch wieder verläßt, um sich anderen Dingen zuzuwenden. So daß uns nur die Neugier und das Verlangen geblieben ist, zu wissen, wovon jene Bücher handeln mochten,

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