Die Buecher und das Paradies
darstellt, sondern das einer ganzen Kultur, die mit sich selber spricht und dabei andere Evangeliare, andere Bilderhandschriften und andere Geschichten zitiert.
Es ist der nüchtern-luzide Rausch einer Sprache, die das Universum neu zu definieren sucht, während sie sich selber neu definiert, wohl wissend, daß in einer Ungewissen und dunklen Epoche der Schlüssel zur Offenbarung der Welt nicht die gerade Linie ist, sondern das Labyrinth.
Mithin ist es kein Zufall, daß dies alles Finnegans Wake inspirierte, als Joyce sich vornahm, ein Buch zu schreiben, das ein Abbild des Universums sein sollte und zugleich ein Werk für einen »Idealleser, der an einer idealen Schlaflosigkeit leidet«.
Aber auch schon im Zusammenhang mit Ulysses hatte er behauptet, viele Initialen des Book of Kells besäßen die typische Eigenart eines ganzen Kapitels seines Buches, und hatte ausdrücklich verlangt, daß man sein ganzes Werk mit diesen Miniaturen vergleiche.
Das Kapitel von Finnegans Wake, das sich eindeutig auf das Book of Kells bezieht, ist das gewöhnlich »The Manifesto of Alp« genannte. In diesem Kapitel wird die Geschichte eines unleserlichen Briefes erzählt, der auf einem Misthaufen gefunden worden ist (und dieser Brief ist als ein Symbol für alle schriftlichen Kommunikationsversuche gedeutet worden, für alle anderen Briefe und die ganze Weltliteratur einschließlich Finnegans Wake selbst).
Die Seite des Book of Kells, an der sich Joyce am stärksten inspiriert hat, ist die tenebrous Tunc page (folio 124r). Läßt man nun den Blick über diese Tunc page gleiten und liest gleichzeitig oder zwischendurch einige Zeilen von Joyce, so hat man den Eindruck, es handle sich um eine multimediale Erfahrung, bei der die Sprache die Bilder imitiert und die Bilder sprachliche Analogien wecken.
Joyce spricht von einer Seite, auf der every person, place and thing in the chaosmos of Alle anyway connected with the gobblydumped turkey was moving and changing every pari of the time. Er spricht von einem steady monologuy of the interiors, in dem a word as cunningly hidden in its maze of confused drapery as a fieldmouse in a nest of coloured ribbons sich wandelt zu einer Ostrogothic kakography affected for certain phrases of Etruscan stabletalk, bestehend aus utterly unexpected sinistrogyric return to one peculiar sore point in the past ... indicating that the words which follow may be taken in any order desired.
Was also stellt das Book of Kells dar? Die alte Handschrift erzählt uns von einer Welt aus lauter sich verzweigenden Wegen, von Abenteuern des Geistes und der Phantasie, die sich nicht beschreiben lassen. Es handelt sich um ein Gebilde, in dem jeder Punkt mit jedem beliebigen anderen Punkt verbunden werden kann, in dem es genaugenommen gar keine Punkte oder Positionen gibt, sondern nur Verbindungslinien, die jederzeit unterbrochen werden können, da sie sofort wieder anfangen und dieselbe Richtung weiterverfolgen. Dieses Gebilde hat weder Zentrum noch Peripherie. Das Book of Kells ist ein Labyrinth. Aus diesem Grund konnte es in Joyces erregtem Geist zum Modell jenes noch zu schreibenden unendlichen Buches werden, das nur ein Idealleser, der von einer idealen Schlaflosigkeit befallen ist, zu lesen vermag.
Aber zugleich stellt das Book of Kells (zusammen mit seinem Nachfahren Finnegans Wake) das Modell der menschlichen Sprache dar und vielleicht das der Welt, in der wir leben. Vielleicht leben wir in einem Buch von Kells und meinen, wir lebten in der Encyclopédie von Diderot. Das Book of Kells und Finnegans Wake sind das beste Abbild des Universums, wie es uns die modernen Wissenschaften beschreiben. Sie sind das Modell eines expandierenden, vielleicht endlichen, aber grenzenlosen Universums, der Ausgangspunkt für unaufhörliche Fragen. Sie sind Bücher, die uns erlauben, uns als Menschen unserer Zeit zu fühlen, auch wenn wir dasselbe gefährliche Meer befahren, das den heiligen Brendan zur Suche nach jener Verlorenen Insel gelockt hat, die das Book of Kells auf jeder Seite besingt, während es uns auffordert und inspiriert, nicht nachzulassen in unserer Suche nach einem vollkommenen Ausdruck der unvollkommenen Welt, in der wir leben.
Jim the bachelor war keineswegs unfertig, denn er hatte erkannt, wenn auch wie durch einen Nebel, was er deutlich zu machen hatte und was wir Menschen begreifen müssen, nämlich daß die Ambiguität unserer Sprachen, die natürliche Unvollkommenheit unserer Idiome nicht die Krankheit nach
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