Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
Flusses bringen, bedeckte sie mit Gestrüpp und zündete den Haufen an. Doch die Zweige reichten nicht aus, um die Leichen zu verbrennen, und so blieben sie halb verkohlt zurück. Wölfe schlichen herbei, und Rabenschwärme kreisten über dem Graben, der ihnen ein Festmahl bot.
Viele der Einwohner kamen zurück, da die Orte, an denen sie Zuflucht gesucht hatten, ebenso befallen waren wie Castillon d’Arbizon. Die Seuche war überall, sagten sie. Berat war eine Totenstadt, aber ob der neue Graf noch lebte, wusste niemand, und es war Thomas auch gleichgültig. Mit dem Winter kam der Frost, und an Weihnachten berichtete ein Pilgermönch, dass die Pestilenz jetzt auch den Norden erreicht hatte. «Sie ist überall», sagte der Mönch. «Die Menschen sterben wie die Fliegen.» Doch nicht alle starben. Galdric, Philins Sohn, wurde wieder gesund, aber kurz nach Weihnachten erkrankte sein Vater, und innerhalb von drei quälenden Tagen war er tot.
Robbie blieb am Leben. Erst hatte es so ausgesehen, als würde er ebenfalls sterben, denn in manchen Nächten schien er kaum noch zu atmen, doch er schaffte es, und nach und nach erholte er sich. Geneviève kümmerte sich um ihn, fütterte ihn, wenn er schwach war, wusch ihn, wenn er sich beschmutzt hatte, und als er, halbwegs genesen, versuchte, sich bei ihr zu entschuldigen, brachte sie ihn zum Schweigen. «Rede mit Thomas», sagte sie nur.
Noch schwach auf den Beinen, ging Robbie zu Thomas. Der Bogenschütze wirkte älter und härter. Robbie überlegte betreten, was er sagen sollte, aber Thomas kam ihm zuvor. «Sag mir eins: Als du getan hast, was du getan hast, dachtest du da, du tust das Richtige?»
«Ja.»
«Dann hast du nichts Unrechtes getan», sagte Thomas nüchtern, «und damit ist die Sache erledigt.»
«Ich hätte das da nicht an mich nehmen dürfen.» Robbie deutete auf das Buch, das auf Thomas’ Knien lag. Es war die Kopie der Aufzeichnungen von Thomas’ Vater.
«Ich habe es ja zurückbekommen. Und jetzt bringe ich Geneviève damit das Lesen bei. Zu etwas anderem ist es ohnehin nicht zu gebrauchen.»
Robbie starrte ins Feuer. «Es tut mir leid.»
Thomas ging nicht auf seine Entschuldigung ein. «Wir warten, bis alle wieder bei Kräften sind, dann gehen wir nach Hause.»
Am Tag des heiligen Benedikt waren sie bereit zum Aufbruch. Elf Männer würden nach England zurückkehren, und Galdric, der keine Eltern mehr hatte, sollte als Thomas’ Diener mitkommen. Sie kehrten als reiche Leute zurück, denn der größte Teil ihrer erbeuteten Münzen war noch da, aber niemand wusste, was sie in England erwarten würde.
Am letzten Abend in Castillon d’Arbizon hörte Thomas zu, während Geneviève sich durch einen Abschnitt aus den Aufzeichnungen seines Vaters mühte. Er hatte beschlossen, sie noch vor der Abreise zu verbrennen, da sie ihn nur in die Irre geführt hatten. Er gab Geneviève das Lateinische zu lesen, da sein Vater kaum auf Englisch oder Französisch geschrieben hatte, und obwohl sie den Sinn der Worte nicht verstand, war es eine gute Übung im Entziffern der Buchstaben. «‹Virga tua et baculus tuus ipsa consolobuntur me›» , las sie langsam, und Thomas nickte. Gleich würden die Worte calix meus inebrians kommen, und er dachte bei sich, dass der Becher ihn tatsächlich trunken gemacht hatte, trunken und verrückt, und das alles für nichts und wieder nichts. Planchard hatte recht gehabt. Die Suche danach trieb die Menschen in den Wahnsinn.
«‹Pono coram me mensam›» , las Geneviève, «‹ex adverso hostium meorum.›»
«Es heißt nicht pono , sondern pones », korrigierte Thomas. «‹Pones coram me mensam ex adverso hostium meorum.›» Er kannte die Stelle auswendig und übersetzte sie für Geneviève. «‹Du bereitest einen Tisch vor mir im Angesicht meiner Feinde.›»
Sie runzelte die Stirn, den schlanken, blassen Zeigefinger auf der Textstelle. «Nein», sagte sie, «da steht pono .» Sie hielt ihm das Buch hin, damit er sich selbst davon überzeugen konnte.
Der Lichtschein des Feuers flackerte über die Seite, und dort stand in der Tat ‹pono coram me mensam ex adverso hostium meorum› . Sein Vater hatte es geschrieben, und Thomas musste die Worte schon Dutzende von Malen gelesen haben, aber der Fehler war ihm noch nie aufgefallen. Seine Vertrautheit mit dem Lateinischen hatte ihn unaufmerksam gemacht, und er hatte den Text eher in seinem Kopf als auf dem Pergament gesehen. Pono . ‹Ich bereite einen Tisch›. Nicht du
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