Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
Männern um.
«Ich habe einen weiten Weg hinter mir», sagte er gebieterisch, «und brauche ein Bett, etwas zu essen und Wein.»
Der Ratsherr wiederholte seine Frage. «Ihr seid Dominikaner?»
«Ich folge dem Weg des heiligen Dominikus», bestätigte der Mönch. «Der Wein muss nicht gut sein, ich esse das, was Eure Ärmsten essen, und als Bett genügt mir Stroh.»
Der Ratsherr zögerte, denn der Mönch war groß, unübersehbar kräftig und ein wenig einschüchternd, doch dann besann er sich darauf, dass er ein wohlhabender und angesehener Bürger von Castillon d’Arbizon war, und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. «Ihr seid sehr jung für einen Dominikaner», sagte er misstrauisch.
«Es dient dem Ruhme Gottes», erwiderte der Mönch herablassend, «wenn junge Männer das Kreuz wählen anstelle des Schwertes. Ich kann in einem Stall schlafen.»
«Euer Name?», fragte der Ratsherr.
«Thomas.»
«Ein englischer Name!» In der Stimme des Ratsherrn lag Bestürzung, und obgleich die beiden Wachen nichts verstanden hatten, richteten sie ihre langen Stöcke auf den Fremden.
« Tomas , wenn es Euch lieber ist», sagte der Mönch, augenscheinlich ungerührt, obwohl die beiden Büttel drohend einen Schritt auf ihn zukamen. «Es ist mein Taufname», erklärte er, «und der Name des armen Jüngers, der an der Göttlichkeit unseres Herrn zweifelte. Wenn Ihr keine solchen Zweifel hegt, dann beneide ich Euch, und ich werde zu Gott beten, dass er mir ebensolche Gewissheit schenkt.»
«Ihr seid Franzose?», fragte der Ratsherr.
«Ich bin Normanne», erwiderte der Dominikaner, dann nickte er. «Ja, ich bin Franzose.» Er wandte sich zu dem Pfarrer. «Sprecht Ihr Französisch?»
«Ja.» Der Pfarrer klang nervös. «Ein wenig.»
«Gestattet Ihr mir dann, heute Abend in Eurem Haus zu speisen, Vater?»
Der Ratsherr ließ Vater Medous nicht antworten, sondern befahl ihm, dem Mönch das Buch zu geben. Es war sehr alt, wurmzerfressen und in schwarzes Leder eingeschlagen.
Der Dominikaner nahm es und löste den Einband. «Was wollt Ihr von mir?»
«Lest aus dem Buch.» Dem Ratsherrn war aufgefallen, dass die Hände des Mönchs vernarbt und seine Finger verkrümmt waren – Spuren, die eher zu einem Soldaten passten als zu einem Geistlichen. «Lest mir vor!», befahl er.
«Könnt Ihr nicht selbst lesen?», fragte der Mönch spöttisch.
«Ob ich lesen kann oder nicht», sagte der Ratsherr, «braucht Euch nicht zu kümmern. Aber ob Ihr lesen könnt, junger Mann, kümmert uns sehr wohl, denn wenn Ihr es nicht könnt, seid Ihr auch kein Geistlicher. Also lest mir vor.»
Der Dominikaner zuckte die Achseln, schlug eine beliebige Seite auf und betrachtete sie schweigend. Sofort wurde der Ratsherr misstrauisch und hob die Hand, um den beiden Bütteln ein Zeichen zu geben, doch dann begann der Mönch plötzlich laut zu lesen. Er hatte eine wohlklingende Stimme, klar und kräftig, und die lateinischen Worte klangen wie Musik, als sie von den bemalten Wänden der Kirche widerhallten. Nach einer Weile bedeutete der Ratsherr ihm zu schweigen und sah Vater Medous fragend an. «Nun?»
«Er liest gut», sagte Vater Medous kleinlaut. Sein eigenes Latein war nicht sonderlich gut, und er mochte nicht zugeben, dass er längst nicht alles verstanden hatte, doch er war sicher, dass der Dominikaner lesen konnte.
«Wisst Ihr, welches Buch das ist?», fragte der Ratsherr streng.
«Ich nehme an, es handelt sich um das Leben des heiligen Gregorius. Wie Ihr zweifellos erkannt habt» – in der Stimme des Dominikaners lag leiser Spott –, «beschreibt die Passage die Pestilenz, die über jene hereinbricht, die Gott, ihrem Herrn, zuwiderhandeln.» Er schlug das Buch wieder in das schwarze Leder ein und reichte es dem Pfarrer. «Ihr kennt das Buch vermutlich unter dem Namen Flores Sanctorum?»
«In der Tat.» Der Pfarrer nahm das Buch und nickte dem Ratsherrn zu.
Doch der war noch nicht endgültig überzeugt. «Was ist mit Euren Händen passiert?», fragte er. «Und mit Eurer Nase? War sie gebrochen?»
«Als Kind schlief ich beim Vieh», erwiderte der Mönch und streckte seine Hände aus. «Ein Ochse hat mich niedergetrampelt. Und meine Nase brach, als meine Mutter mich mit einer Pfanne schlug.»
Diese alltäglichen Kindheitsunfälle waren dem Ratsherrn vertraut, und er entspannte sich sichtlich. «Ihr werdet verstehen, Vater», sagte er zu dem Mönch, «dass wir Fremden gegenüber Vorsicht walten lassen müssen.»
«Vorsicht vor den
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