Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
der Männer vermuteten, der junge Geistliche habe nach einer Dirne Ausschau gehalten, andere meinten, er habe nur die falsche Tür erwischt, aber bald hatten sie ihn wieder vergessen.
Der Mönch hinkte wieder den Hügel hinauf zu St. Sardos, betrat das Heiligtum des Ziegenhirten jedoch nicht, sondern schlüpfte in den Schatten eines Mauerpfeilers. Dort wartete er, unsichtbar und still, und lauschte auf die wenigen nächtlichen Geräusche von Castillon d’Arbizon. Aus der Schankstube drangen Gesang und Gelächter, doch ihn interessierten mehr die Schritte des Wächters, der auf der Stadtmauer patrouillierte, die sich unmittelbar hinter der Kirche mit den mächtigeren Befestigungen der Burg vereinte. Die Schritte kamen auf ihn zu, hielten ein kleines Stück vor ihm an und entfernten sich dann wieder. Der Mönch zählte leise bis tausend, aber der Wächter tauchte nicht wieder auf. Er zählte erneut bis tausend, diesmal auf Lateinisch, und als über ihm noch immer Stille herrschte, ging er zu der Holztreppe, die auf die Mauer hinaufführte. Die Stufen knarzten unter seinem Gewicht, doch niemand schien es zu hören. Oben angekommen, duckte er sich neben den hohen Burgturm, dank seiner schwarzen Robe unsichtbar, trotz der Mondsichel, die am Himmel stand. Er blickte an der Mauer entlang, die ein Stück dem Hang folgte und dann zum Westtor hin einen Knick machte. Ein flackernder rötlicher Schimmer verriet, dass das Feuer im Kohlenbecken kräftig brannte. Nirgends war ein Wachmann in Sicht. Der Mönch vermutete, dass sie sich unten im Schutz des Tores aufwärmten. Über ihm auf den Zinnen der Burgmauer war ebenfalls niemand zu sehen, und auch hinter den beiden von Fackeln erleuchteten Schießscharten des Turms rührte sich nichts. In der gut besuchten Schankstube hatten drei uniformierte Männer gesessen, und möglicherweise waren noch mehr dort gewesen, die er nicht gesehen hatte, also war wohl davon auszugehen, dass die Wachleute entweder tranken oder schliefen. Er hob seine Kutte und löste eine Schnur von seinem Leib. Die Schnur war aus Hanf und mit Kleber verstärkt, genau wie die Sehnen der gefürchteten englischen Kriegsbogen, und sie war lang genug, dass er sie um eine der Zinnen wickeln und dann bis zum Boden jenseits der Mauer hinunterlassen konnte. Er blieb einen Moment stehen und blickte nach unten. Die Stadt und die Burg waren auf einem steilen Felsvorsprung erbaut, der von einem Fluss umgeben war, und er hörte, wie das Wasser über ein Wehr sprudelte. Das Einzige, was er sehen konnte, war ein kleiner Flecken Mondlicht, der sich in einem Tümpel spiegelte, sonst war alles schwarz. Der eisige Wind zerrte an ihm, und er wich in den Schatten zurück und zog sich die Kapuze über den Kopf.
Der Wachmann tauchte wieder auf, ging jedoch nur bis zur Mitte der Mauer, wo er sich eine Weile gegen die Brustwehr lehnte, dann kehrte er zum Tor zurück. Einen Augenblick später ertönte ein leiser Pfiff, melodiös wie der Ruf eines Vogels, und der Mönch ging zu der Schnur und zog sie wieder hoch. An ihrem Ende war jetzt ein Seil befestigt, das er um die Zinne knüpfte. «Ihr könnt kommen», rief er leise auf Englisch und zuckte zusammen, als er hörte, wie die Stiefel des Mannes beim Hinaufklettern über die Mauer scharrten.
Mit einem Grunzen hievte der Mann sich auf die Brustwehr, und ein lautes Scheppern erklang, als seine Schwertscheide gegen den Stein schlug. Dann war der Mann oben und kauerte sich neben den Mönch. «Hier.» Er reichte dem Mönch einen englischen Kriegsbogen und eine Pfeiltasche. Ein zweiter Mann kletterte hinauf. Er hatte einen Bogen auf dem Rücken und eine Pfeiltasche am Gürtel. Er war gelenkiger als der erste Mann und machte kein Geräusch, als er über die Zinnen kletterte. Ein dritter Mann folgte und hockte sich zu den anderen.
«Wie war’s?», fragte der erste Mann den Mönch.
«Ganz schön haarig.»
«Haben sie dir geglaubt?»
«Ich musste ihnen etwas auf Lateinisch vorlesen.»
«Nicht auf den Kopf gefallen, die Jungs», sagte der Mann. Er hatte einen schottischen Akzent. «Und was jetzt?»
«Die Burg.»
«Gott steh uns bei.»
«Hat er bis jetzt getan. Sam, alles in Ordnung?»
«Ja», antwortete einer der beiden anderen Männer. «Könnte nur was zu trinken vertragen.»
«Hier, nimm das bitte mal.» Thomas gab Sam seinen Bogen und die Pfeiltasche, und nachdem er sich überzeugt hatte, dass der Wachmann außer Sicht war, führte er seine drei Gefährten die Holztreppe hinunter
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