Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
Gott alle Dinge erschaffen habe, sollte allen Menschen alles gehören. Um sich gegen solche Irrlehren zu schützen, verbrannte die Kirche diese Ketzer, wo immer sie sie fand.
«Sie ziehen von Ort zu Ort», erklärte Vater Medous. «Das Mädchen wollte hierbleiben, aber wir haben sie zum Tribunal des Bischofs geschickt, und sie wurde schuldig gesprochen. Jetzt ist sie wieder hier.»
«Sie ist wieder hier?» Der Mönch klang schockiert.
«Für die Verbrennung», erklärte Vater Medous hastig. «Sie wurde zurückgeschickt, um von der weltlichen Macht verbrannt zu werden. Der Bischof will, dass die Leute sie sterben sehen, damit sie wissen, dass das Böse aus ihrer Mitte vertrieben ist.» Bruder Thomas runzelte die Stirn. «Ihr sagt, diese Begine wurde der Ketzerei schuldig gesprochen und hierhergeschickt, um verbrannt zu werden – warum ist sie dann noch am Leben?»
«Die Verbrennung ist für morgen angesetzt», erwiderte der Pfarrer eilends. «Eigentlich hätte Vater Roubert heute eintreffen sollen. Er ist Dominikaner, wie Ihr, und er war derjenige, der die Ketzerei des Mädchens aufgedeckt hat. Vielleicht ist er krank? Aber er hat mir einen Brief geschickt, in dem er genau beschreibt, wie das Feuer gemacht werden soll.»
Bruder Thomas zog eine herablassende Miene. «Alles, was man dazu braucht, ist ein Haufen Scheite, ein Pfahl, Anmachholz und eine Ketzerin. Was ist daran so kompliziert?»
«Vater Roubert wünscht ausdrücklich, dass wir dünne Zweige nehmen und dass sie aufrecht angeordnet werden.» Der Pfarrer illustrierte die Anweisungen, indem er seine Finger wie Spargelstangen zusammenpresste. «Zweigbündel, hat er geschrieben, und alle gen Himmel gerichtet. Sie dürfen nicht flach liegen. Das hat er ausdrücklich betont.»
Der Dominikanermönch lächelte. «Damit das Feuer schön hell brennt, aber nicht zu heiß, nicht wahr? Sie soll langsam sterben.»
«Es ist Gottes Wille.»
«Langsam und qualvoll», sagte der Mönch genüsslich. «Das ist in der Tat Gottes Wille, was Ketzer betrifft.»
«Und ich habe den Scheiterhaufen so vorbereitet, wie er es angeordnet hat», fügte Vater Medous schwach hinzu.
«Sehr gut. Das Mädchen hat nichts Besseres verdient.» Der Mönch wischte seinen Teller mit einem Stück Brot aus. «Ich werde ihrem Tod mit Freude beiwohnen und dann weiterziehen.» Er bekreuzigte sich. «Ich danke Euch für dieses Essen.»
Vater Medous wies zum Kamin, neben dem er ein paar Decken bereitgelegt hatte. «Ihr könnt gerne hier schlafen.»
«Das werde ich, Vater», sagte der Mönch, «aber zuvor möchte ich zum heiligen Sardos beten, obgleich ich noch nie von ihm gehört habe. Könnt Ihr mir sagen, wer er ist?»
«Ein Ziegenhirte», erwiderte Vater Medous. Er war sich nicht sicher, ob es Sardos überhaupt gegeben hatte, aber die Leute aus der Gegend beteuerten seine Existenz und verehrten ihn schon seit vielen Generationen. «Er erblickte das Lamm Gottes auf dem Hügel, auf dem die Stadt jetzt steht. Ein Wolf bedrohte es, Sardos rettete das Tier, und Gott belohnte ihn, indem er Gold auf ihn herabregnen ließ.»
«Wie es einer solchen Tat angemessen ist», sagte der Mönch und stand auf. «Kommt Ihr mit und leistet mir beim Beten Gesellschaft?»
Vater Medous unterdrückte ein Gähnen. «Ich würde ja gerne, aber –»
«Ich bestehe nicht darauf», sagte Bruder Thomas großzügig. «Lasst Ihr die Tür unverriegelt?»
«Meine Tür ist immer offen», erwiderte der Pfarrer. Eine Woge der Erleichterung überkam ihn, als sein unbequemer Gast sich unter dem Türsturz hindurchbeugte und im Dunkel verschwand.
Die Hausmagd des Pfarrers stand lächelnd in der Küchentür. «Gut aussehender Kerl für einen Mönch. Bleibt er über Nacht?»
«Ja.»
«Dann schlafe ich wohl besser in der Küche», sagte die Magd. «Ihr wollt ja sicher nicht, dass der Dominikaner Euch um Mitternacht zwischen meinen Beinen findet. Er würde uns gleich mit der Begine auf den Scheiterhaufen werfen.» Lachend kam sie herein, um den Tisch abzuräumen.
Der Mönch ging nicht zur Kirche, sondern ein Stück die Straße hinunter zur nächsten Schankstube und stieß die Tür auf. Der Lärm im Innern erstarb allmählich, und nach und nach richteten sich alle Blicke auf das strenge Gesicht des Mönchs. Als Stille eingetreten war, erschauerte er, als entsetze ihn das feuchtfröhliche Treiben, dann trat er zurück auf die Straße und schloss die Tür. Das Schweigen hielt noch einen Moment an, dann ertönte Gelächter. Einige
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