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Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Titel: Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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den massigen Kerkermeister stürzte, musste Thomas beinahe schmunzeln, aber er unterdrückte seine Erheiterung. «Wie heißt du?», fragte er stattdessen.
    Ihre Miene war immer noch kämpferisch. «Ich habe keinen Namen. Sie haben mich zur Ketzerin erklärt und mir meinen Namen genommen. Ich bin aus der Christenheit ausgeschlossen. Ich bin schon halb in der nächsten Welt.» Indigniert wandte sie den Blick zur Seite. Thomas drehte sich um und sah, dass Robbie im Türrahmen stand. Der Schotte starrte die Begine mit staunender, beinahe ehrfürchtiger Miene an, und als Thomas das Mädchen erneut ansah, bemerkte er, dass unter dem Schmutz und den Strohresten eine Schönheit verborgen war. Ihr Haar schimmerte in blassem Gold, ihre Haut war nicht von Pockennarben entstellt, und ihr Gesicht hatte ausdrucksvolle Züge, mit einer hohen Stirn, vollen Lippen und sanft geschwungenen Wangenknochen. Ein ausgesprochen hübsches Gesicht. Robbie fixierte sie wie in Trance, und die junge Frau, der sein unverhüllter Blick peinlich war, zog die Knie noch enger an die Brust.
    «Geh», sagte Thomas zu Robbie. Offenbar verliebte sich sein Gefährte, wie andere Männer hungrig wurden, und an Robbies Miene war deutlich zu erkennen, dass das Aussehen des Mädchens ihn mit der Wucht eines Schmiedehammers getroffen hatte.
    Robbie runzelte die Stirn, als hätte er Thomas’ Aufforderung nicht so recht verstanden. «Ich wollte dich noch was fragen», sagte er zögernd.
    «Was denn?»
    «Neulich in Calais, hat der Earl dir da gesagt, du sollst ohne mich weiterreiten?»
    Unter den gegebenen Umständen war es eine merkwürdige Frage, aber Thomas fand, sie verdiene eine Antwort. «Woher weißt du das?»
    «Dieser Geistliche hat’s mir gesagt. Buckingham.»
    Thomas fragte sich, weshalb Robbie überhaupt mit dem Mann gesprochen hatte, doch dann begriff er, dass sein Freund lediglich drauflosredete, um in der Nähe des Mädchens zu bleiben, in das er sich so abrupt und hoffnungslos verliebt hatte. «Robbie», sagte er. «Sie wird morgen früh verbrannt.»
    Robbie schaute betreten drein. «Muss sie ja nicht.»
    «Die Kirche hat sie verurteilt, Herrgott noch mal!»
    «Warum bist du dann hier?», fragte Robbie.
    «Weil ich der Anführer bin. Weil irgendjemand sie zum Schweigen bringen muss.»
    «Das kann ich doch tun», sagte Robbie lächelnd, doch als Thomas darauf nicht einging, verwandelte sich das Lächeln in einen Ausdruck der Gereiztheit. «Warum hast du mich dann hierher mitgenommen?»
    «Weil du mein Freund bist.»
    «Buckingham hat behauptet, ich würde den Gral stehlen», sagte Robbie. «Er meinte, ich würde ihn nach Schottland bringen.»
    «Erst mal müssen wir ihn finden», wandte Thomas ein, doch Robbie hörte ihm gar nicht zu. Er starrte nur sehnsüchtig auf das Mädchen, das in der Ecke des Kerkers kauerte. «Robbie», sagte Thomas mit Nachdruck, «sie wird morgen verbrannt.»
    «Dann ist es doch egal, was heute Nacht mit ihr passiert», entgegnete der Schotte störrisch.
    Thomas bemühte sich, seinen Ärger im Zaum zu halten. «Lass uns allein, Robbie.»
    «Bist du hinter ihrer Seele her?», fragte Robbie. «Oder hinter ihrem Fleisch?»
    «Hau ab!», fuhr Thomas ihn an, heftiger, als er beabsichtigt hatte. Robbie sah ihn erst erstaunt, dann aufmüpfig an, doch schließlich blinzelte er ein paarmal und ging.
    Das Mädchen hatte den englischen Wortwechsel zwar nicht verstanden, aber sie hatte die Begierde in Robbies Gesicht gesehen und zog daraus ihre Schlüsse. «Wollt Ihr mich für Euch selbst, Priester?», fragte sie auf Französisch.
    Thomas ignorierte ihre höhnische Frage. «Woher kommst du?»
    Sie zögerte, als überlege sie, ob sie antworten sollte oder nicht, dann zuckte sie die Achseln. «Aus der Picardie.»
    «Das ist weit oben im Norden», sagte Thomas. «Wie kommt ein Mädchen aus der Picardie in die Gascogne?»
    Wieder zögerte sie. Thomas schätzte sie auf fünfzehn oder sechzehn Jahre, was bedeutete, dass sie eigentlich längst verheiratet sein müsste. Ihr Blick war seltsam durchdringend und gab ihm das Gefühl, sie könne bis auf den dunklen Grund seiner Seele schauen. «Mein Vater war ein Jongleur und Feuerspeier», sagte sie schließlich.
    «Ja, ich habe solche Männer gesehen.»
    «Wir sind umhergereist, wie es uns gefiel, und haben auf Märkten unser Geld verdient. Mein Vater hat die Leute zum Lachen gebracht, und ich habe die Münzen eingesammelt.»
    «Und deine Mutter?»
    «Tot.» Sie sagte es so gleichgültig, als

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