Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
die Frau und das Vieh von Galat Lorret mit einem Fluch belegt.»
Thomas runzelte die Stirn. «Sie haben dich nicht verurteilt, weil du eine Begine bist?»
«Das auch», erwiderte sie trocken.
Er schwieg eine Weile. Irgendwo in der Dunkelheit tropfte es, und die Laterne flackerte und wäre beinahe erloschen. «Wessen Frau sollst du verflucht haben?»
«Die von Galat Lorret. Er ist ein Tuchhändler hier in der Stadt und sehr reich. Er ist der oberste Ratsherr, und er zieht jüngeres Fleisch seiner Frau vor.»
«Und hast du sie verflucht?»
«Nicht nur sie», sagte Geneviève mit Nachdruck. «Ihn auch. Habt Ihr nie jemanden verflucht?»
«Was hat es mit dem Vorhersagen der Zukunft auf sich?»
«Ich habe gesagt, sie würden alle sterben, und das ist nichts weiter als eine offensichtliche Tatsache.»
«Nicht wenn Jesus auf die Erde zurückkehrt, wie er es versprochen hat», wandte Thomas ein.
Sie musterte ihn mit einem langen, nachdenklichen Blick, und die Andeutung eines Lächelns umspielte ihre Mundwinkel. Dann zuckte sie die Achseln. «Dann habe ich mich wohl geirrt», sagte sie sarkastisch.
«Der Teufel hat dir gezeigt, wo du Wasser findest?»
«Das könnt sogar Ihr», sagte sie. «Nehmt einen gegabelten Zweig und geht damit langsam über ein Feld. Wenn er anfängt zu zucken, grabt.»
«Und die magischen Heilungen?»
«Alte Hausmittel», sagte sie müde. «Das, was wir von unseren Tanten und Großmüttern und alten Frauen lernen. Dass man das Eisen aus einem Raum entfernt, in dem eine Frau gebärt, und dergleichen. Selbst Ihr klopft doch auf Holz, um das Böse abzuwenden. Werdet Ihr deshalb auf den Scheiterhaufen gebracht?»
Wiederum ging Thomas nicht auf ihre Bemerkung ein. «Du hast Gott beleidigt?»
«Gott liebt mich, und ich beleidige niemanden, der mich liebt. Aber ich habe gesagt, Seine Diener wären verderbt, denn das sind sie, und deshalb behaupteten sie, ich hätte Gott beleidigt. Seid Ihr verderbt, Priester?»
«Und du hast nackt unter den Blitzen getanzt», beschloss Thomas die Liste der Anschuldigungen.
«In diesem Punkt erkläre ich mich schuldig.»
«Warum hast du das getan?»
«Weil mein Vater immer gesagt hat, Gott würde uns den rechten Weg weisen, wenn wir das tun.»
«Tatsächlich?», fragte Thomas erstaunt.
«Das glaubten wir. Aber es war ein Irrtum. Gott hat mir gesagt, ich solle in Castillon d’Arbizon bleiben, doch das hat mir nur Folter und Scheiterhaufen eingetragen.»
«Folter?»
Etwas in Thomas’ Stimme ließ sie aufblicken, und sie streckte langsam ihr linkes Bein aus, damit er die Innenseite ihres Oberschenkels sehen konnte, dessen weiße Haut von mehreren schwärenden roten Wunden entstellt war. «Sie haben mir die Haut verbrannt», sagte sie. «Immer wieder. Deshalb habe ich schließlich gestanden, dass ich eine Begine bin, obwohl es nicht stimmt.» Sie begann zu weinen, als sie an die Qualen zurückdachte. «Sie haben glühendes Eisen genommen, und als ich schrie, sagten sie, das wäre der Teufel, der versuche, aus meiner Seele zu fahren.» Sie zog das Bein wieder an und zeigte ihm ihren rechten Arm, der die gleichen Male trug. «Aber die hier haben sie mir gelassen», sagte sie wütend und entblößte unvermittelt ihre kleinen Brüste, «weil Vater Roubert meinte, der Teufel sauge gern daran und der Schmerz seiner Zähne sei schlimmer als alles, was die Kirche mir antun könne.» Sie schlang wieder die Arme um die Knie und schwieg, während ihr die Tränen über das Gesicht rannen. «Die Kirche genießt es, anderen Schmerz zuzufügen», sagte sie nach einer Weile. «Das solltet Ihr doch wissen.»
«Ja, das weiß ich», erwiderte Thomas, und um ein Haar hätte er den Rock seiner Mönchskutte hochgezogen, um ihr zu zeigen, dass er die gleichen Narben trug, Narben von glühendem Eisen, das man auf seine Beine gepresst hatte, um ihm die Geheimnisse des Grals zu entlocken. Es war eine Folter, bei der kein Blut floss, denn es war der Kirche untersagt, Blut zu vergießen, aber ein geschickter Folterknecht konnte einer Seele dennoch Höllenqualen bereiten.
«Dann verfluche ich Euch», sagte Geneviève, die offenbar ihren Kampfgeist wiedergefunden hatte. «Ich verfluche Euch und alle Priester.»
Thomas erhob sich und griff nach der Laterne. «Ich bringe dir etwas zum Anziehen.»
«Habt Ihr Angst vor mir, Priester?», fragte sie spöttisch.
«Angst? Wovor?» Thomas sah sie verdutzt an.
«Davor!», sagte sie, zeigte ihm ihren nackten Körper und brach in
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