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Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Titel: Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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könne sie sich nicht einmal mehr an ihre Mutter erinnern. «Mein Vater ist auch gestorben, hier, vor einem halben Jahr. Also bin ich geblieben.»
    «Warum?»
    Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu, als sei die Antwort auf seine Frage so offensichtlich, dass es müßig war, sie auszusprechen, doch dann kam sie offenbar zu dem Schluss, dass er als Geistlicher nicht wissen konnte, wie normale Menschen lebten. «Wisst Ihr, wie gefährlich die Straßen sind?», fragte sie. «Überall sind coredors .»
    «Coredors?»
    «Straßenräuber», erklärte sie. «Die Leute hier nennen sie coredors . Und dann gibt es noch die routiers , die sind genauso schlimm.» Routiers waren versprengte Soldatentrupps, die auf der Suche nach einem neuen Herrn über die Landstraßen zogen, und wenn sie hungrig waren, was häufig vorkam, nahmen sie sich mit Gewalt, wonach ihnen der Sinn stand. Einige eroberten sogar Städte und verlangten dafür Lösegeld. Und genau wie die coredors würden sie eine alleinreisende junge Frau als Geschenk des Teufels zu ihrem Vergnügen betrachten. «Was glaubt Ihr, wie lange ich überlebt hätte?»
    «Hättest du dich nicht anderen anschließen können?», fragte Thomas.
    «Das haben wir früher auch getan, mein Vater und ich, und da war er ja noch da, um mich zu beschützen. Aber ich allein?» Sie zuckte die Achseln. «Also bin ich geblieben. Ich habe als Küchenmagd gearbeitet.»
    «Und dein ketzerisches Süppchen gekocht?»
    «Ihr Priester seid so versessen auf Ketzerei», sagte sie verächtlich. «Das gibt euch einen Vorwand, andere zu verbrennen.»
    «Wie war dein Name, bevor du verurteilt worden bist?», fragte Thomas.
    «Geneviève.»
    «Nach der Heiligen?»
    «Wahrscheinlich.»
    «Und wann immer Geneviève betete», sagte Thomas, «blies der Teufel ihr die Kerzen aus.»
    «Ihr Priester seid voller Geschichten», spottete Geneviève. «Glaubt Ihr das wirklich? Glaubt Ihr, dass der Teufel in die Kirche kam und ihre Kerzen ausblies?»
    «Möglich ist es.»
    «Warum hat er sie nicht einfach getötet, wenn er der Teufel war? Was für ein alberner Streich, ein paar Kerzen auszublasen! So schlimm kann der Teufel ja nicht sein, wenn das alles ist, was er tut.»
    Thomas ignorierte ihren Sarkasmus. «Ich habe gehört, du bist eine Begine?»
    «Ich habe Beginen und Begarden kennengelernt, und ich mochte sie.»
    «Sie sind die Brut des Teufels.»
    «Seid Ihr schon mal einem von ihnen begegnet?»
    Das war Thomas nicht, er hatte nur von ihnen gehört, und das Mädchen spürte sein Unbehagen. «Sie glauben daran, dass Gott alles für alle erschaffen hat und will, dass allen alles gehört, und das gefällt mir», gab sie zu. «Aber ich habe mich ihnen nie angeschlossen.»
    «Irgendetwas musst du getan haben, um den Scheiterhaufen zu verdienen.»
    Sie musterte ihn. Vielleicht flößte etwas in seinem Tonfall ihr Vertrauen ein, jedenfalls verschwand das Kämpferische aus ihrer Miene. Sie schloss die Augen und ließ den Kopf gegen die Mauer sinken, und Thomas vermutete, dass ihr nach Weinen zumute war. Als er ihr schmales Gesicht betrachtete, fragte er sich, weshalb er ihre Schönheit nicht sofort bemerkt hatte, so wie Robbie. Dann öffnete sie die Augen wieder und sah ihn an. «Was ist heute Nacht hier passiert?», fragte sie, ohne auf seine Anschuldigung einzugehen.
    «Wir haben die Burg eingenommen.»
    «Wir?»
    «Die Engländer.»
    Sie versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. «Das heißt, die Engländer sind jetzt die weltliche Macht?»
    Er nahm an, dass sie den Ausdruck bei ihrem Prozess gelernt hatte. Die Kirche verbrannte Ketzer nicht, sie verurteilte sie nur und übergab die Sünder dann der weltlichen Macht zur Exekution. Auf diese Weise machte die Kirche sich nicht die Hände schmutzig, Gott konnte gewiss sein, dass seine Kirche unbefleckt war, und der Teufel gewann eine Seele. «Ja, wir sind jetzt die weltliche Macht», bestätigte Thomas.
    «Also werden die Engländer mich verbrennen, nicht die Gascogner? «
    «Jemand muss dich verbrennen, wenn du eine Ketzerin bist.»
    «Und wenn nicht?», fragte Geneviève, doch als Thomas darauf nicht reagierte, ließ sie erneut den Kopf gegen die feuchte Mauer sinken. «Sie sagen, ich hätte Gott beleidigt.» Ihre Stimme klang müde. «Ich hätte behauptet, die Diener Gottes seien verderbt. Sie sagen, ich hätte nackt unter den Blitzen getanzt, die Macht des Teufels genutzt, um Wasser zu finden, Magie eingesetzt, um Kranke zu heilen, die Zukunft vorhergesagt und

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