Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
herauskommen, wenn man eine Ketzerin schützt? Die Männer wissen alle, dass du damit das Böse heraufbeschwörst.»
Thomas schlug mit der Hand auf den Tisch, dass Geneviève zusammenzuckte. «Ihr», donnerte er, «habt mein Dorf verbrannt, meine Mutter getötet und meinen Vater, der obendrein Pfarrer war, ermordet, und da wagt Ihr es, mir mit dem Bösen zu drohen?»
Guillaume d’Evecque konnte die Vorwürfe nicht zurückweisen, und er hätte auch nicht erklären können, wie es kam, dass er ein Freund des Mannes war, dessen Eltern er getötet hatte, aber er war dennoch nicht bereit, vor Thomas’ Zorn zu kuschen. «Ich kenne das Böse, weil ich Böses getan habe», sagte er. «Aber Gott vergibt uns.»
«Gott vergibt euch, aber ihr nicht?»
«Die Kirche hat anders entschieden.»
«Und ich habe ebenfalls anders entschieden.»
«Süßer Jesus», sagte d’Evecque, «hältst du dich für den verdammten Papst?»
«Sie hat dich verhext», knurrte Robbie. Geneviève sah aus, als wolle sie etwas sagen, doch dann wandte sie sich ab. Ein Windstoß wehte durch das Fenster herein und spritzte ein paar Regentropfen auf die Holzdielen.
D’Evecque sah zu der jungen Frau, dann wieder zu Thomas. «Die Männer werden sie nicht dulden», sagte er.
«Weil Ihr sie aufhetzt», entgegnete Thomas wütend, obwohl er wusste, dass Robbie der Unruhestifter war und nicht d’Evecque. Seit dem Moment, als er Genevièves Fesseln durchgeschnitten hatte, war ihm klar gewesen, dass es Schwierigkeiten geben würde. Er wusste, es war seine Pflicht, Geneviève zu verbrennen, doch er brachte es nicht fertig. Sein Vater, der verrückt und zornig, aber auch intelligent gewesen war, hatte über die Vorstellung der Kirche von Ketzerei nur gelacht. Das, was heute als Ketzerei gilt, hatte er gesagt, ist morgen Kirchengesetz, und Gott braucht die Inquisitoren nicht, um Menschen zu verbrennen; das kann Er sehr gut allein. Die ganze Nacht hatte Thomas wach gelegen und mit sich gerungen, doch er wusste, er begehrte Geneviève zu sehr. Nicht theologischer Zweifel hatte ihr das Leben gerettet, sondern Verlangen – und Mitgefühl für eine andere Seele, die die Folter der Kirche erlitten hatte.
Robbie, sonst so ein ehrlicher und gutmütiger Kerl, unterdrückte nur mühsam seine Wut. «Thomas», sagte er leise, «denk daran, weshalb wir hier sind, und dann frag dich, ob Gott uns Erfolg schenken wird, wenn wir eine Ketzerin unter uns haben.»
«Ich habe kaum etwas anderes getan», erwiderte Thomas.
«Einige der Männer reden schon davon zu gehen», warnte Guillaume d’Evecque ihn. «Sich einen anderen Anführer zu suchen.»
Zum ersten Mal meldete Geneviève sich zu Wort. «Ich werde gehen», sagte sie. «Zurück in den Norden. Dann bin ich euch nicht mehr im Weg.»
«Was glaubst du, wie weit du kommst?», fragte Thomas. «Wenn meine Männer dich nicht schon hier im Hof umbringen, dann die Leute unten auf der Straße.»
«Was soll ich denn dann tun?», fragte sie.
«Du kommst mit mir.» Er stand auf und ging zu einer Nische neben der Tür, in der ein Kruzifix hing. Er nahm es von der Wand und bedeutete ihr, Robbie und d’Evecque, ihm zu folgen. «Kommt.»
Er ging hinaus in den Burghof, wo sich bereits die meisten seiner Männer versammelt hatten, um zu erfahren, was Robbie und d’Evecque bei ihrem Anführer erreicht hatten. Gemurre erhob sich, als Geneviève erschien, und Thomas wusste, dass er ihre Gefolgschaft aufs Spiel setzte. Er war noch sehr jung, beinahe zu jung, um so viele Männer zu befehligen, aber sie waren ihm aus freien Stücken gefolgt, und der Earl of Northampton hatte ihm vertraut. Dies war seine erste Probe. Er war davon ausgegangen, dass ihn diese Probe in der Schlacht erwarten würde, doch nun war sie da, und er musste sie bestehen. So verharrte er auf den Stufen, die in den Hof führten, und wartete, bis alle Blicke auf ihn gerichtet waren. «Sieur d’Evecque!», rief Thomas. «Geht zu einem der Pfarrer in der Stadt und bittet ihn um eine Hostie. Eine geweihte, wie sie für die Letzte Ölung bereit gehalten wird.»
D’Evecque zögerte. «Und wenn er sie mir nicht geben will?»
«Ihr seid Soldat, er nicht», erwiderte Thomas, und einige der Männer grinsten.
D’Evecque nickte, warf Geneviève einen argwöhnischen Blick zu und bedeutete zweien seiner Soldaten, ihn zu begleiten. Sie lösten sich nur widerstrebend aus der Menge, da sie hören wollten, was Thomas zu sagen hatte, doch als d’Evecque sie anraunzte, folgten
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