Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
Northampton uns hierherschicken würde?»
Schweigen breitete sich aus, dann schüttelte Medous den Kopf. «Nein.»
«Dann scheint sie die Zukunft nicht sehr klar zu sehen», sagte Thomas. «Das kann der Teufel ihr nicht eingeflüstert haben.»
«Das Bischofstribunal hat anders entschieden», beharrte Lorret, «und es ist nicht an Euch, die Autoritäten anzuzweifeln.»
Das Schwert fuhr mit überraschender Schnelligkeit aus Thomas’ Scheide. Die Klinge war geölt, um dem Rosten vorzubeugen, und sie glänzte feucht, als er die Spitze in den Pelzbesatz auf Lorrets Brust bohrte. «Ich bin die Autorität», sagte Thomas und drückte ein wenig fester. «Und Ihr tätet gut daran, das nicht zu vergessen. Ich kenne Euren Bischof nicht, aber wenn er eine Frau wegen ein paar verendeter Rinder für eine Ketzerin hält, ist er ein Trottel, und wenn er sie verurteilt, weil sie das getan hat, was Gott Moses befahl, dann ist er ein Gotteslästerer.» Er verstärkte erneut den Druck seines Schwertes, woraufhin Lorret hastig einen Schritt zurückwich. «Wessen Frau hat sie verflucht?»
«Meine», sagte Lorret empört.
«Und, ist sie gestorben?»
«Nein», musste Lorret zugeben.
«Dann hat der Fluch nicht gewirkt», sagte Thomas und schob das Schwert zurück in die Scheide.
«Sie ist eine Begine!», beharrte Vater Medous.
«Was ist das?», fragte Thomas.
«Eine Ketzerin», sagte Vater Medous ein wenig hilflos.
«Ihr wisst es nicht, stimmt’s?», sagte Thomas. «Für Euch ist es nur ein Wort, und wegen dieses Wortes wollt Ihr sie verbrennen?» Er nahm das Messer von seinem Gürtel, dann schien ihm ein Gedanke zu kommen. «Ich nehme an», sagte er, zum Ratsherrn gewandt, «Ihr beabsichtigt, dem Grafen von Berat eine Nachricht zu schicken?»
Lorret sah ertappt aus, spielte jedoch den Ahnungslosen.
«Haltet mich nicht für einen Narren», sagte Thomas. «Ich bin überzeugt, dass Ihr bereits dabei seid, eine Nachricht zu verfassen. Also schreibt Eurem Grafen und Eurem Bischof, dass ich Castillon d’Arbizon erobert habe, und schreibt ihnen auch …» Er verstummte. Die ganze Nacht hatte er fieberhaft überlegt, was er tun sollte. Er hatte sogar gebetet, denn er war bemüht, ein guter Christ zu sein, aber seine Seele und sein Instinkt sagten ihm, dass es falsch war, das Mädchen zu verbrennen. Dann wieder hatte ihn eine innere Stimme gemahnt, er ließe sich von Mitleid und von goldenem Haar und hübschen Augen verführen, doch letzten Endes war er zu dem Schluss gekommen, dass er Geneviève nicht den Flammen übergeben konnte. Deshalb schnitt er jetzt das Seil durch, mit dem ihre Hände gefesselt waren, und als die Menge protestierte, erhob er die Stimme. «Schreibt Eurem Bischof, dass ich die Ketzerin freigelassen habe.» Er steckte sein Messer weg, legte den Arm um Genevièves schmale Schultern und wandte sich wieder an die Menge. «Schreibt Eurem Bischof, dass sie unter dem Schutz des Earl of Northampton steht. Und wenn Euer Bischof wissen will, wer das getan hat, dann nennt ihm denselben Namen wie dem Grafen von Berat: Thomas von Hookton.»
«Hookton», wiederholte Lorret, dem der fremde Name schwer über die Lippen ging.
«Ganz recht», sagte Thomas. «Und sagt ihm, Thomas von Hookton ist von Gottes Gnaden Herrscher über Castillon d’Arbizon.»
«Ihr? Herrscher über diese Stadt?», fragte Lorret empört.
«Wie Ihr gesehen habt, besitze ich jetzt die Macht, über Leben und Tod zu entscheiden. Und das, Lorret, gilt auch für Euer Leben.» Damit drehte er sich um und führte Geneviève in den Hof der Burg zurück. Hinter ihnen fiel krachend das Tor zu.
Und da damit die Aufregungen des Tages vorerst beendet schienen, wandte Castillon d’Arbizon sich wieder der Arbeit zu.
Zwei Tage lang aß und sprach Geneviève nicht. Sie blieb in Thomas’ Nähe, beobachtete ihn, doch wenn er etwas zu ihr sagte, schüttelte sie nur den Kopf. Manchmal weinte sie still. Sie gab kein Geräusch von sich, wenn sie weinte, nicht einmal ein Schluchzen; nur die Tränen rannen über ihr verzweifeltes Gesicht.
Robbie versuchte, mit ihr zu reden, doch sie wich vor ihm zurück. Sie erschauerte sogar, wenn er ihr zu nahe kam, und das nahm Robbie ihr übel. «Gottverdammte Ketzerhure», verfluchte er sie mit seinem schottischen Akzent, und obwohl Geneviève kein Englisch sprach, verstand sie den Sinn seiner Worte und sah Thomas aus ihren großen Augen hilfesuchend an.
«Sie hat Angst», sagte Thomas.
«Vor mir?», fragte Robbie entrüstet,
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