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Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Titel: Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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«Aber dein Vater», sagte Geneviève an dem Morgen, als sie aufbrachen, «hätte ihn doch sicher nicht nach Astarac zurückgebracht, oder?»
    «Nein.»
    «Dann ist er also gar nicht dort?»
    «Ich weiß nicht mal, ob er überhaupt existiert», erwiderte Thomas. Sie saßen am Ufer des Baches. Die Pferde waren gesattelt, die Pfeilbündel an die Zwiesel gebunden. «Ich glaube, der Heilige Gral ist ein Traum der Menschen, ein Traum, dass die Welt vollkommen gemacht werden kann. Und wenn es den Gral wirklich gäbe, dann wüssten wir, dass der Traum nicht wahr werden kann.» Er zuckte die Achseln und kratzte an einem Rostfleck auf seinem Kettenhemd herum.
    «Du glaubst nicht, dass es ihn gibt, und trotzdem suchst du danach?» Geneviève sah ihn verständnislos an.
    Thomas schüttelte den Kopf. «Ich suche meinen Vetter. Ich will wissen, was er weiß.»
    «Also glaubst du doch daran?»
    «Ich würde gerne daran glauben. Aber falls mein Vater den Gral wirklich hatte, dann müsste er in England sein, und dort habe ich schon alles auf den Kopf gestellt.» Er überlegte einen Moment. «Aber wenn ich ihn finde, muss die Kirche uns wieder aufnehmen.»
    Geneviève lachte. «Du bist wie ein Wolf, Thomas, der nur davon träumt, sich unter die Schafe zu mischen.»
    Thomas ging nicht darauf ein, sondern starrte zum östlichen Horizont. «Der Gral ist alles, was mir geblieben ist. Als Soldat habe ich versagt.»
    «Unsinn», entgegnete sie scharf. «Du bekommst deine Männer zurück. Du wirst siegen, Thomas, weil du ein Wolf bist. Und ich bin überzeugt, dass du auch den Gral finden wirst.»
    Er lächelte ihr zu. «Hast du das unter den Blitzen gesehen?»
    «Ich habe Finsternis gesehen», sagte sie ernst. «Große Finsternis. Wie ein Schatten, der die ganze Welt bedeckt. Aber du warst am Leben, Thomas, und über dir leuchtete ein helles Licht.» Sie blickte auf das Wasser, einen feierlichen Ausdruck auf ihrem schmalen Gesicht. «Warum sollte es den Gral nicht geben? Vielleicht ist es das, was die Welt braucht. Vielleicht wird er all die Verderbtheit hinwegfegen. All die Priester.» Sie spuckte aus. «Ich glaube auch nicht, dass dein Gral in Astarac ist, aber vielleicht bekommen wir dort Antworten auf einige Fragen.»
    «Oder neue Fragen.»
    «Je eher wir uns auf den Weg machen, desto eher finden wir es heraus.»
    Sie ritten weiter gen Osten, durch den Wald hinauf über die kahlen Anhöhen, stets in sorgsamem Abstand zu Höfen und Siedlungen. Am späten Vormittag jedoch kamen sie in das Tal des Gers, wo sie gegen Joscelyn und seine Männer gekämpft hatten, und um den Fluss zu überqueren, mussten sie durch das Dorf reiten. Die Bewohner hatten Geneviève gewiss erkannt, doch mit bewaffneten Reitern legte sich niemand freiwillig an, es sei denn, er war selbst Soldat. Neben einem der Obstgärten sah Thomas ein Stück frisch umgegrabene Erde, und er nahm an, dass dort die Toten des Gefechts begraben waren. Beide schwiegen, als sie an der Stelle vorbeikamen, wo Vater Roubert gestorben war. Thomas bekreuzigte sich, doch falls Geneviève es gesehen hatte, ließ sie sich nichts anmerken.
    Sie ritten durch die Furt und den bewaldeten Hang hinauf, bis sie zu der breiten Hochebene gelangten, von der man auf Astarac hinabsehen konnte. Zur Rechten lag ein Waldgebiet, zur Linken erhoben sich steile, zerklüftete Felsen. Thomas wandte sich dem Wald zu, da er Deckung bot, doch Geneviève bremste ihn. «Da hat jemand Feuer gemacht», sagte sie und zeigte auf eine schmale Rauchfahne, die zwischen den Bäumen aufstieg.
    «Kohlenbrenner?», meinte Thomas.
    «Oder coredors », entgegnete sie und lenkte ihr Pferd nach links. Thomas folgte ihr, warf jedoch noch einen letzten zögernden Blick auf den Wald. Da nahm er eine Bewegung wahr, ganz flüchtig nur, doch er hatte gelernt, auf so etwas zu achten, und er zog instinktiv den Bogen aus der Hülle.
    Dann kam der Pfeil.
    Es war ein Armbrustbolzen, kurz, gedrungen und schwarz, und seine gezackten Lederflügel machten ein sirrendes Geräusch. Thomas trieb sein Pferd mit einem energischen Hieb an und versuchte noch, Geneviève zu warnen, doch der Bolzen zischte an ihm vorbei und bohrte sich ihrer Stute in die Flanke. Das Tier bäumte sich auf, Blut auf dem weißen Fell, den Schaft tief im Fleisch.
    Irgendwie gelang es Geneviève, sich im Sattel zu halten, während die Stute davongaloppierte. Zwei weitere Bolzen flogen an Thomas vorbei, und als er sich umdrehte, sah er vier Reiter und mindestens ein Dutzend

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