Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
bleibt.»
«Was bietest du mir im Austausch dafür?»
«Dein Leben», sagte Philin. «Wenn du meinen Sohn behältst, werden wir zurückkommen, mit mehr Männern, und euch auflauern und umzingeln. Ihr werdet uns nicht entkommen. Und falls mein Sohn stirbt, Engländer, wirst du unter solchen Qualen verenden, dass die Feuer der Hölle danach die reinste Wohltat sein werden. Aber wenn du Galdric am Leben lässt, lassen wir euch auch am Leben. Dich und die Ketzerin.»
«Du weißt, wer sie ist?», fragte Thomas überrascht.
«Wir wissen alles, was zwischen Berat und den Bergen passiert.»
Thomas wandte sich um und blickte zu den Felsen hinauf, doch Geneviève war nicht zu sehen. Er trat von dem Jungen zurück «Soll ich den Pfeil herausziehen?», fragte er.
«Das werden die Mönche in St. Sévère tun», sagte Philin.
«Nehmen sie euch dort auf?»
«Abbé Planchard nimmt jeden Verwundeten auf.»
«Auch einen coredor ?»
Philin musterte ihn verärgert. «Wir sind nur Landlose. Vertriebene. Für Verbrechen gejagt, die wir nicht begangen haben. Nun ja» – plötzlich lächelte er, und Thomas hätte das Lächeln beinahe erwidert –, « einige davon haben wir nicht begangen. Was hätten wir denn tun sollen? Auf die Galeeren gehen? Uns aufknüpfen lassen?»
Thomas kniete sich neben den Jungen, legte den Bogen weg und zog sein Messer. Galdric starrte ihn verängstigt an, und Philin stieß einen alarmierten Schrei aus, beruhigte sich jedoch wieder, als er sah, dass Thomas nichts Böses im Sinn hatte. Thomas schnitt die Pfeilspitze, die aus dem Bein ragte, ab und steckte das kostbare Stück Metall in seinen Beutel. Dann erhob er sich. «Schwöre auf das Leben deines Sohnes», befahl er Philin, «dass du dein Wort halten wirst.»
«Ich schwöre es.»
Thomas deutete auf den Felshügel, wo Geneviève sich versteckt hielt. «Sie ist eine draga . Wenn du deinen Eid brichst, Philin, wird sie deine Seele peinigen.»
«Ich werde euch nichts tun», versicherte ihm Philin. «Und die anderen auch nicht.» Er wies mit dem Kopf auf die übrigen coredors .
Thomas blieb kaum eine Wahl. Entweder er vertraute Philin, oder er musste wieder auf die Felsen klettern, wo es kein Wasser und keine Nahrung gab. Er trat von dem Jungen zurück. «Du kannst ihn haben.»
«Danke», sagte Philin aus tiefstem Herzen. «Aber sag mir, Engländer …» Thomas, der sich abgewandt hatte, um die Pferde zu den Felsen zurückzubringen, drehte sich noch einmal um. «Warum seid ihr hier? Ganz allein?»
«Ich dachte, du wüsstest alles, was zwischen Berat und den Bergen passiert?»
«Ich weiß es, weil ich Fragen stelle», erwiderte Philin und beugte sich zu seinem Sohn hinunter.
«Ich bin ein Besitzloser, Philin, ein Geflohener. Eines Verbrechens beschuldigt, das ich in der Tat begangen habe.»
«Und was für ein Verbrechen war das?»
«Ich habe einer Ketzerin Schutz gewährt.»
Philin zuckte nur die Achseln. Offenbar rangierte dieses Vergehen in der Rangordnung der Missetaten, die die coredors zu ihrem Außenseiterdasein gezwungen hatten, sehr weit unten. «Wenn du wirklich ein Geflohener bist, solltest du dir überlegen, ob du dich uns nicht anschließen willst. Aber erst mal kümmere dich um deine Frau. Ich habe nicht gelogen. Sie ist verwundet.»
Er hatte recht. Thomas brachte die Pferde zurück und rief Genevièves Namen. Als sie nicht antwortete, kletterte er zu der Felskuhle hinauf. Sie hatte einen Armbrustbolzen in die linke Schulter bekommen. Er hatte sich durch das Kettenhemd gebohrt und eine Rippe oberhalb ihrer linken Brust zerschmettert, dicht neben der Achselhöhle. Sie lag auf dem Stein, umgeben von den hässlichen schwarzen Bolzen, und atmete ganz flach. Ihr Gesicht war blasser denn je, und als Thomas sie hochhob, schrie sie auf. «Ich sterbe», stöhnte sie. Doch in ihrem Mund war kein Blut, und Thomas hatte schon viele andere gesehen, die eine solche Wunde überlebt hatten. Allerdings hatte er auch welche gesehen, die daran gestorben waren.
Er fügte ihr große Schmerzen zu, als er sie hinuntertrug, doch sobald sie unten angekommen waren, fand sie genug Kraft, um sich von Thomas in den Sattel helfen zu lassen. Blut rann an ihrem Kettenhemd herunter, ihr Blick war trübe, und sie hatte Mühe, sich aufrecht zu halten. Die coredors rückten näher und starrten sie staunend an. Sie musterten auch Thomas und bekreuzigten sich, als sie den großen Bogen sahen. Alle waren dünn und ausgemergelt, Opfer der schlechten Ernte und der
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