Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
ihm Funken schlug, dann sah er, wie der Mann die beiden Pferde wegführte, hielt inne und spannte den Bogen. Der Mann war halb hinter Genevièves Stute verborgen, doch Thomas schoss trotzdem. Der Pfeil sauste am Hals der Stute vorbei und bohrte sich in den Oberschenkel des Mannes. Der coredor stürzte, ohne jedoch die Zügel loszulassen. Thomas wandte sich um und sah, dass einer der Armbrustschützen auf Geneviève zielte. Im gleichen Moment, als der Mann den Abzug betätigte, schoss auch Thomas. Der Schütze befand sich an der Grenze der Reichweite seines Bogens, doch Thomas’ Pfeil kam so nah an ihn heran, dass alle Armbrustschützen zurückwichen. Sie hatten Angst vor der Macht seines Bogens, und so lief Thomas, statt in den Ausguck zwischen den Felsen zurückzukehren, direkt auf sie zu. Er spannte die Sehne, bis seine Rückenmuskeln brannten, und schoss zwei weitere Pfeile ab, und die weiß gefiederten Schäfte zischten in hohem Bogen durch die Luft und stürzten auf die Armbrustschützen nieder. Keiner von ihnen traf, aber die Männer wichen erneut zurück, und als sie weit genug entfernt waren, machte er kehrt, um die Pferde zu retten.
Der Verwundete war kein Mann, sondern ein Junge. Ein stupsnasiger Knabe, zehn oder elf Jahre alt, der mit schmerzverzerrtem Gesicht und Tränen in den Augen auf dem Boden lag. Er umklammerte die Zügel, als hinge sein Leben daran, und in der Linken hielt er ein Messer, mit dem er wenig überzeugend herumfuchtelte. Der Pfeil hatte sich durch den rechten Oberschenkel des Jungen gebohrt, kurz unterhalb der Hüfte, und so gepeinigt, wie sein Opfer aussah, hatte die Spitze vermutlich den Knochen gebrochen.
Thomas schlug dem Jungen mit dem Fuß das Messer aus der Hand. «Sprichst du Französisch?», fragte er ihn, erntete statt einer Antwort jedoch nur einen wütenden Klecks Spucke. Thomas grinste, nahm die Zügel an sich und hob den Jungen auf die Beine. Der Kleine schrie auf, als der Pfeil sich in der Wunde bewegte, und als Thomas zu den überlebenden coredors blickte, sah er, dass der Kampfgeist in ihnen erloschen war. Sie starrten den Jungen an.
Thomas nahm an, dass der Junge mit den drei Männern gekommen war, die auf die Felsen zugelaufen waren, während er oben in der Deckung gehockt hatte. Zweifellos hatten sie vorgehabt, die Pferde zu stehlen, damit ihr gescheiterter Beutezug wenigstens ein klein wenig Gewinn brachte. Seine Pfeile hatten die Männer zurückgedrängt, aber der Junge, der kleiner, wendiger und schneller war, hatte sich zu den Felsen durchgeschlagen und versucht, ein Held zu sein. Stattdessen war er nun offenbar eine Geisel, denn einer der coredors , ein hochgewachsener Mann in einem Ledermantel und mit einer verbeulten Beckenhaube auf dem zerzausten Haar, kam langsam und mit demonstrativ erhobenen Händen auf sie zu.
Thomas drückte den Jungen wieder zu Boden, als der Mann nur noch dreißig Schritt entfernt war, und spannte halb den Bogen. «Bleib, wo du bist», rief er dem Mann zu.
«Ich heiße Philin», sagte der Mann. Er war breitschultrig und langbeinig, mit einem schmalen, traurigen Gesicht und einer Narbe auf der Stirn, vielleicht von einem Schwertschlag. An seinem Gürtel trug er ein Messer, sonst war er unbewaffnet. Er sah aus wie ein Straßenräuber, dachte Thomas, aber irgendetwas an Philins Augen sprach von besseren Zeiten, sogar von Rechtschaffenheit. «Er ist mein Sohn», sagte Philin und wies mit dem Kopf auf den Jungen.
Thomas zuckte die Achseln, als kümmere ihn das nicht.
Philin nahm den Helm ab und sah hinunter auf die Toten, die im Gras lagen. Es waren vier, allesamt von den langen Pfeilen niedergestreckt, und zwei weitere kauerten verwundet und stöhnend daneben. Dann hob er den Blick wieder zu Thomas. «Bist du Engländer?»
«Wofür hältst du das hier?», fragte Thomas und hielt seine Waffe hoch. Nur die Engländer kämpften mit dem langen Kriegsbogen.
«Ich habe von den Bogen gehört», sagte Philin. Er sprach Französisch mit starkem Akzent und musste bisweilen innehalten, um nach dem passenden Wort zu suchen. «Aber bis heute habe ich noch nie einen gesehen.»
«Nun, jetzt hast du ihn gesehen», gab Thomas schneidend zurück.
«Ich glaube, deine Frau ist verwundet», sagte Philin und deutete auf Genevièves Versteck.
«Du hältst mich wohl für einen Dummkopf», entgegnete Thomas. Philin wollte, dass er sich umdrehte, damit die Armbrustschützen wieder näher kriechen konnten.
«Nein. Ich will nur, dass mein Junge am Leben
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