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Die Bücherdiebin

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Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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eines Nachmittags zu Liesel, als sie mit ihm auf dem Sportplatz rannte. »Wie Jesse Owens 1936.«
    »Bist du immer noch so besessen von ihm?«
    Rudis Füße hämmerten im Rhythmus seines Atems. »Eigentlich nicht, aber es wäre doch schön, oder? Es würde all den Mistkerlen, die mich für verrückt halten, das Gegenteil beweisen. Dann würden sie merken, dass ich doch nicht so dämlich war.«
    »Aber kannst du wirklich vier Wettkämpfe gewinnen?«
    Sie kamen am Ende der Bahn zum Stehen, und Rudi legte die Hände auf die Hüften. »Ich muss.«
    Sechs Wochen lang trainierte er. Dann war der Tag des Sportfests gekommen. Es war Mitte August, und der Himmel war sonnenheiß und wolkenlos. Das Gras wurde von der Hitlerjugend, den Eltern und einer Menge von braunbehemdeten Anführern niedergetrampelt. Rudi Steiner war topfit.
    »Schau«, sagte er. »Da ist Deutscher.«
    Inmitten der Grüppchen, die sich in der Menge gebildet hatten, stand der blonde Inbegriff des Hitlerjugend-Ideals und gab zweien seiner Untertanen Befehle. Sie nickten und dehnten gelegentlich ihre Glieder. Einer von ihnen beschattete mit der Hand die Augen, wie zum Salut.
    »Willst du ihm Guten Tag sagen?«, fragte Liesel.
    »Nein, vielen Dank auch. Das mache ich später.«
    Wenn ich gewonnen habe.
    Die Worte wurden nicht ausgesprochen, aber sie standen da, zwischen Rudis blauen Augen und Deutschers befehlenden Händen.
    Es folgte der obligatorische Marsch über den Platz. Die Nationalhymne. Heil Hitler.
    Erst dann konnten sie anfangen.
    Als Rudis Altersgruppe für die 1500 Meter aufgerufen wurde, wünschte ihm Liesel Glück.
    »Hals- und Beinbruch, Saukerl.«
    Jungen sammelten sich am Ende des ovalen Feldes. Ein paar machten Dehnübungen, andere konzentrierten sich, und der Rest war da, weil er da sein musste.
    Neben Liesel saß Barbara, Rudis Mutter, mit ihren Jüngsten. Eine dünne Decke war randvoll mit Kindern und Grashalmen. »Könnt ihr Rudi sehen?«, fragte sie die Kleinen. »Er steht da ganz links.« Barbara Steiner war eine freundliche Frau, die immer frisch gekämmt aussah.
    »Wo?«, fragte eines der Mädchen, wahrscheinlich Bettina, das jüngste. »Ich kann ihn nicht sehen.«
    »Da. Der Letzte. Nein, nicht da. Da.«
    Sie waren immer noch mit Suchen beschäftigt, als der Startschuss erklang. Rauch zog auf. Die kleinen Steiners sausten zum Zaun.
    Auf der ersten Runde führte eine Gruppe von sieben Jungen das Feld an. Auf der zweiten Runde waren es noch fünf und auf der letzten noch vier. Rudi lief an vierter Position, bis zur letzten Runde. Ein Mann rechts von ihnen behauptete, dass der Junge, der derzeit Zweiter war, den besten Eindruck machte. Er war am größten. »Wart's nur ab«, sagte er zu seiner verblüfften Frau. »Wenn die letzten 200 Meter anbrechen, läuft er den anderen davon.« Der Mann irrte sich.
    Ein riesiger Mann in einem braunen Hemd informierte die Rennläufer darüber, dass die letzte Runde angebrochen war. Er sah nicht so aus, als ob er unter irgendeiner Rationierung zu leiden hätte. Er rief ihnen etwas zu, als die Spitzengruppe die Start-Ziel-Linie überlief, aber es war nicht der zweite Junge, der beschleunigte, sondern der vierte. Und er tat es zweihundert Meter früher als erwartet.
    Rudi rannte.
    Zu keinem Zeitpunkt schaute er zurück.
    Wie ein Gummiband baute er seine Führung auf, bis jeder Gedanke an einen möglichen anderen Sieger in sich zusammenfiel. Er flog über die Bahn, während sich hinter ihm die drei anderen Läufer der ehemaligen Spitzengruppe um den zweiten Platz stritten. Auf der Zielgeraden war nur noch blondes Haar und viel Abstand zu sehen, und als er über die Ziellinie lief, blieb er nicht stehen. Er riss nicht die Arme in die Höhe, sank nicht vor Erleichterung zusammen. Er lief noch zwanzig Meter weiter und schaute erst dann über die Schulter zurück, um mit anzusehen, wie die anderen ins Ziel kamen.
    Auf dem Weg zu seiner Familie begegnete er zuerst seinen Anführern und dann Franz Deutscher. Die beiden nickten sich zu.
    »Steiner.«
    »Deutscher.«
    »Sieht so aus, als hätte es sich ausgezahlt, dass ich dich die ganze Zeit Runden habe laufen lassen.«
    »Sieht so aus.«
    Das Lächeln sparte er sich auf für den Zeitpunkt, wenn er alle vier Rennen gewonnen haben würde.
    EINE TATSACHE, DIE SPÄTER BEDEUTSAM WERDEN WIRD
    Rudi war nun nicht nur als guter Schüler anerkannt, sondern auch als vielversprechender Athlet.
    Liesel startete über 400 Meter. Sie kam als Siebte ins Ziel, und über die

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