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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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fiel.
    Ich stelle mir vor, wie sie kurz auf die Wand schaut, auf Max Vandenburgs seiltanzende Wolke, auf die baumelnde Sonne und auf die Gestalten, die darauf zugehen. Dann betrachtet sie die mühevollen Rechtschreibübungen, aufgemalt mit Wandfarbe. Ich sehe den Führer die Kellertreppe hinunterkommen, die Boxhandschuhe lässig um den Nacken gebunden. Und die Bücherdiebin liest und liest wieder und wieder ihren letzten Satz, viele Stunden lang.
    DIE BÜCHERDIEBIN - LETZTER SATZ
    Ich habe die Worte gehasst, und ich habe sie geliebt, und ich hoffe, ich habe sie richtig gemacht.
    Draußen pfiff die Welt. Der Regen war fleckig.
    der weltuntergang (Teil 2)
    Fast alle Worte sind nun verblasst. Das schwarze Buch löst sich unter dem Gewicht meiner Reisen langsam auf. Das ist ein weiterer Grund, warum ich diese Geschichte erzähle. Wie war das doch gleich? Wenn man etwas oft genug sagt, vergisst man es nicht mehr. Außerdem kann ich euch erzählen, was geschah, nachdem die Worte der Bücherdiebin verklungen waren, und wie ich überhaupt von ihrer Geschichte erfuhr. Das kam so.
    Stellt euch vor, ihr geht im Dunkeln durch die Himmelstraße. Euer Haar wird nass, und der Druck der Luft steht kurz vor dem Zerplatzen. Die erste Bombe trifft das Mietshaus, in dem Tommi Müller wohnt. Sein Gesicht zuckt unschuldig im Schlaf, und ich knie neben seinem Bett. Als Nächstes seine Schwester. Kristinas Füße gucken unter der Bettdecke hervor. Sie passen zu den Fußabdrücken in dem Himmel-und-Hölle-Spielfeld auf der Straße. Ihre kleinen Zehen. Die Mutter schläft ein paar Meter neben ihnen. Vier Zigaretten liegen verkrümmt im Aschenbecher, und der dachlose Raum ist glühend rot. Die Himmelstraße brennt.
    Da fangen die Sirenen an zu heulen.
    EINE LISTE VON STRASSEN
    Münchener Straße, Ellenberger Straße, Johannsonstraße, Himmelstraße. Die Hauptstraße und noch drei weitere in dem ärmlicheren Teil der Stadt.
    »Zu spät«, flüstere ich, »das könnt ihr euch jetzt sparen.« Denn alle haben sich zum Narren halten lassen, einmal und noch einmal. Zunächst hatten die Alliierten einen Angriff auf München vorgetäuscht, um stattdessen Stuttgart anzugreifen. Aber dann waren zehn Flugzeuge zurückgeblieben. Oh, es gab Warnungen, sicher. Aber in Molching kamen sie gleichzeitig mit den Bomben an.
    Innerhalb weniger Minuten waren sie alle weg. Eine Kirche wurde niedergeschlagen.
    Die Erde, auf der Max Vandenburg mit seinen Füßen gestanden hatte, wurde untergepflügt.
    In der Himmelstraße 31 schien mich Frau Holzinger in der Küche zu erwarten. Vor ihr stand eine zerbrochene Tasse, und im letzten wachen Moment hatte ihr Gesicht einen Ausdruck angenommen, der mich zu fragen schien, wo ich bloß so lange geblieben war.
    Im Gegensatz dazu schlief Frau Lindner tief und fest. Ihre kugelsicheren Brillengläser zersprangen neben ihrem Bett. Ihr Laden wurde ausgelöscht; die Verkaufstheke landete auf der anderen Straßenseite, und das gerahmte Bild des Führers wurde von der Wand gerissen und zu Boden geworfen. Der Mann wurde zu einem glasigen Brei zusammengeschlagen. Auf dem Weg nach draußen trat ich auf ihn.
    Die Fiedlers lagen ordentlich zugedeckt im Bett.
    Von Pfiffikus war nur die Nasenspitze zu sehen.
    Alle Steiners. Ich fuhr mit den Fingern durch Barbaras schönes, gekämmtes Haar. Ich nahm den ernsthaften Blick aus Kurts ernsthaft schlafendem Gesicht und küsste die Kleinen, eines nach dem anderen.
    Dann Rudi. Herr im Himmel, Rudi...
    Er lag im Bett mit einer seiner Schwestern. Sie hatte ihn wohl getreten oder ihn zur Seite geschoben, um mehr Platz zu haben, denn er lag auf der Kante und hatte die Arme um sie geschlungen. Der Junge schlief. Sein Kerzenhaar entzündete das Bett, und ich hob ihn und Bettina auf, während ihre Seelen noch unter der Decke lagen. Sie starben wenigstens schnell und voller Wärme. Der Junge im Flugzeug, dachte ich. Der mit dem Teddybären. Wo war Rudis Trost? Wo war jemand, der diesem Lebensraub die Schärfe nahm? Wer war da, um ihn zu wiegen, während der Teppich des Lebens unter seinen Füßen weggezogen wurde?
    Niemand.
    Nur ich.
    Und ich kann nicht besonders gut trösten, erst recht nicht, wenn meine Hände kalt sind, und das Bett ist warm. Ich trug ihn sanft durch die zerschmetterte Straße, mit einem salzigen Auge und einem schweren, tödlichen Herzen. Bei ihm gab ich mir ein bisschen mehr Mühe. Einen Augenblick lang betrachtete ich den Inhalt seiner Seele und sah einen schwarz angemalten Jungen, der

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