Die BUNTE Story
»Chip«-Magazin mit seinen im Heft eingeklebten CDs umsetzte.
Bei einem unserer Treffen sagte Andy einmal zu mir – ich war damals schon Chefredakteur von »Bunte«: »Hubert, you are so rich, du hast 4,8 Millionen Leser bei ›Bunte‹ und ich nur 500000 bei ›Interview‹.« Das war der Anstoß für meine Idee, »Bunte« in ein People-Magazin zu verwandeln.
Als Chefredakteur von »Bunte« verfolgte ich vor allem zwei Prinzipien, die ich auch auf meinen Agenturreisen betonte: »Bunte« steht für »pursuit of happiness« – worauf mich Bazon Brock gebracht hatte – und »Media is Art«, die Idee Andy Warhols.
8 Der Sprung nach vorn
In den Redaktionen deutscher Illustrierten begann man nach ein, zwei Jahren über »Bunte« zu sprechen. Das hatte zwei Gründe. Zum einen waren neue Redakteure aus Hamburg und München zu »Bunte« gekommen: Norbert Sakowski, Pitt Severin, Edgar Fuchs, Werner Rudi, Dieter Steiner. Zum anderen steigerten sich die Zahlen, die die Media-Analyse (MA) für »Bunte« erhob. Das Interesse der Leser an ihr stieg ständig. Die MA-Zahlen wurden immer Anfang Juni publiziert, damit die Werbeagenturen rechtzeitig die Gelder für das kommende Jahr verplanen konnten. Neben der redaktionellen Strategie wusste ich, dass Zeitschriften im Konsum auch Prestigeobjekte sind und Titel, die mehr Ansehen und Reputation haben, eine höhere Reichweite erzielen als andere und dadurch auch mehr Anzeigen bekommen und folglich mehr Geld ausgeben können für teure Redaktionen, teure Fotos, teure Serien.
Unsere Anstrengungen machten sich bezahlt. Wir verkauften im Jahr 1978 über 1,4 Millionen Exemplare pro Woche.
Die Sommerferien desselben Jahres verbrachte ich mit Freunden auf einem Boot in der Türkei. Wir ankerten in Fethiye, schräg gegenüber von Zypern. Es war der 19. Juni, Punkt 12.00 Uhr, als mich meine Sekretärin Ruth Gudlat anrief, um die Sensation zu melden. Wir hatten den Abstand zum »Stern« deutlich verringert, »Quick« und »Neue Revue« waren abgehängt. Unsere Reichweite war von 10,9 auf 12,1 Leser gestiegen.
Auf dem Segelboot in der Türkei 1978 bekomme ich die neuen MA-Zahlen für »Bunte«. Die Reichweite war auf über 12 Prozent gestiegen.
Das Konzept der »Großen Alternative« war aufgegangen, und mit den guten Zahlen kamen dickere Hefte. Bald hatte »Bunte« 320 Seiten Umfang. Das waren 200 Seiten Redaktion pro Woche. Also bis zu 40 Seiten, die täglich über meinen Tisch gingen. Natürlich hatten Ulrich Blumenschein und Andy Odenwald als Textchefs die Artikel redigiert und das Bildressort und die Art Direction die Seiten konzipiert, aber alles musste von mir kontrolliert werden: Ist das jeweilige Thema richtig in die Heftdramaturgie eingebaut? Wie wirkt seine Optik im Verhältnis zu den anderen Seiten? Sind die Fakten überprüft? Was wollen wir bewirken? Wen könnten wir verletzen? Was meint die Rechtsabteilung? Denn mit der größeren Reichweite stieg die öffentliche Wahrnehmung des Blattes. Ebenso wuchs die Verantwortung.
Mucki Göhner und Hubert Burda 1984 beim 75. Geburtstag von Mutter Aenne in Salzburg
Mein Manko war es, nicht als Journalist – »von der Pike auf«, wie man sagt – ausgebildet und eingeübt worden zu sein. Dafür wurde mein Doktortitel eher mit Misstrauen betrachtet. Die Mehrheitsmeinung war, entweder ist man ein Journalist von Natur aus oder gar keiner. Studienabbrecher waren in allen Redaktionen die Regel. Meine persönliche Einstellung zum Journalismus wich von der üblichen Selbsteinschätzung der Journalisten ab. Um sie bekannt zu machen, schrieb ich Merksätze auf, druckte sie und hängte sie in den Konferenzraum. Da stand dann zu lesen: »Journalismus ist Literatur in Eile« oder »Der erste Satz ist wie der Wurf mit dem Lasso nach dem Leser« oder »Der Wunsch nach Schönheit ist krisenfest«, schließlich: »Mischung: Auf harte Themen folgen weiche«.
Der Wurf des Lassos! Wie viele Vorspänne habe ich umgeschrieben, wie viele Dachzeilen verändert, um die Aufmerksamkeit der Leser herauszufordern!
Dabei half mir, dass ich mich während des Studiums immer für die Kategorien der Rhetorik interessiert hatte, die in der Zeit vor Gutenberg ja die Struktur der Kommunikation bestimmt hatte. Ich las Cicero, Tertullian, Augustinus, die mittelalterlichen Traktate über Redekunst oder Predigten von Savonarola und Abraham a Santa Clara.
Titelbildkonferenz: Michael Groß ist zweifacher Goldmedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen in Los
Weitere Kostenlose Bücher