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Die BUNTE Story

Die BUNTE Story

Titel: Die BUNTE Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Burda
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allmählich in den Hintergrund traten, besuchte mich eines Tages der »Zeit«-Kolumnist Wolfgang Ebert und meinte während unseres Gespräches beiläufig: »Am Samstag läuft den ganzen Tag ›Chelsea Girls‹ von Andy Warhol im ›Türkendolch‹ in Schwabing.« Ich besuchte die Vorführung und wusste, von Warhol komme ich nicht mehr los.
    Im Jahr 1968 organisierte ich mit Markwort eine Ausstellung für tschechische Künstler, die aus Prag – nachdem die Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten die Stadt besetzt hatten – geflohen waren, darunter Jiří Kolář. Unser Engagement für die Freiheit der Tschechoslowakei wurde nicht von allen Intellektuellen in München mit Beifall honoriert. Aber meine Interessen galten da schon nicht mehr so sehr den politischen Debatten, sondern der Gegenwartskunst. In München war es vor allem die Galerie »Friedrich«, die mich anzog. Heiner Friedrich und Franz Dahlem, ein redebegabtes Duo, etablierte ein spannendes Forum für aktuelle Kunst an der Maximilianstraße und holte viele Künstler aus Deutschland und den USA in die Isar-Stadt. Deren Werke sollten später den Kanon der Kunst zwischen 1960 und 2000 bestimmen. Die Vernissagen der Galerie »Friedrich« waren soziale Ereignisse. Auf einer von ihnen lernte ich die Amerikanerin Brigid Polk kennen, eine Künstlerin und Gefährtin Andy Warhols. Sie erzählte mir, ihr Vater sei Chef von Hearst Magazines, und Warhol rufe sie jeden Abend an, um zu erfahren, mit welchen Schlagzeilen das Boulevardblatt »New York Post« am nächsten Tag aufmache. Diese Story gefiel mir ungemein: Der neue Star der Pop-Art, angekommen im Olymp der modernen Kunst, ist auf Klatsch und Sensationen aus.
    Plötzlich fühlte ich mich von einem Vorwurf entlastet, den mir viele meiner Freunde zu machen schienen. Er lautete: Warum verrätst du deine Bildungs- und Kunstinteressen und wendest dich den Massenmedien deines Vaters zu? Hätten diese doch wenigstens das Niveau von »Der Spiegel« und »Stern«! Die Verachtung der Massenmedien – das war mir wichtig – wurde von Andy Warhol nicht geteilt. Er wurde für mich zur Symbolfigur dafür, dass die Welt der Illustrierten und die Welt der Kunst und Literatur nicht unvereinbar sind. Von da an lebte ich in beiden Welten, ohne die eine gegen die andere ausspielen zu müssen.

    »Bunte« landet im Museum. Für die Eingangshalle des Verlagshauses in München fertigte Warhol dieses vier Meter hohe Coverbild an, das 2012 Mittelpunkt der Frankfurter Ausstellung »Headlines« im Museum für Moderne Kunst (MMK) war.
    Mein neues Evangelium hieß »Media is Art«, und alles, was Warhol unternahm oder um ihn geschah, verfolgte ich mit größtem Interesse: das Publikum im Studio 54, den Jetset, seine Entourage, die Sängerin Nico und Lou Reed mit seiner Band »Velvet Underground«, die Lokale, die er besuchte, die Fotomodelle und Bianca Jagger. Er verwandelte die Welt in Pop-Art und kreierte einen neuen »Lifestyle«. Für mich bedeutete das, dass meine angeblich triviale Journalisten-Existenz einen neuen Kontext erhielt. Aus dem »Mega-out«, wie man heute sagen würde, wurde über Nacht ein »Super-in«.
    Jede Bewegung hat »agents of change«, Agenten des Wandels, in Gestalt von Journalisten, Impresarios und Kunsthändlern. Im Falle Warhols war das der Galerist Bruno Bischofberger aus Zürich, der dessen Werke in Europa in Umlauf brachte. Es wird oft darüber gerätselt, wer die genial-lukrative Idee hatte, die alte Tradition der Porträtmalerei wieder aufleben zu lassen, einst das Stammgeschäft, von dem Künstler Jahrhunderte hindurch leben konnten. Es war Bischofberger, der zusammen mit Warhols Manager Fred Hughes diese Idee hatte. Und Bischofberger gewann unsere Familie dafür, unseren Vater von Warhol porträtieren zu lassen aus Anlass seines 70. Geburtstages am 24. Februar 1973. Die Familie gab sechs große Porträts in Auftrag als Geschenk für den Vater. Für das erste Porträt zahlten wir 25000 DM und für die weiteren je 5000 DM.
    Aber das Aufregendste war: Andy Warhol kam von New York nach Offenburg in Südbaden, um meinen Vater zu fotografieren.
    Von da an entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Warhol und mir. Wir trafen uns häufig in New York, St. Moritz oder München. Dabei zeigte er mir einmal sein Indexbuch von 1967, in dem er viele Ideen für Magazine skizziert hatte. Darunter war auch eine Bildplatte, in einen Umschlag eingeklebt. Sie nahm die Idee vorweg, die später das

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