Die Burg der Könige
rieb sich selbstzufrieden den struppigen Bart. Sein langes schwarzes Haar war verfilzt, das Gesicht rot und aufgedunsen von billigem Branntwein. Agnes kannte viele Geschichten über berühmte, einst von Barden besungene Ritter, die das Elend der letzten Jahrzehnte zu zerlumpten Kreaturen gemacht hatte. Ihr Vater hatte ihr erzählt, dass auch die von Wertingens einst ein angesehenes Geschlecht gewesen waren. Bis zu Reichsministerialen des Kaisers hatten sie es gebracht, doch dann waren die Pachteinnahmen immer weniger und die Schulden immer mehr geworden.
Agnes sah auf zu dem schmutzigen, verlausten Mann auf seinem klapprigen Gaul und wusste im gleichen Augenblick, dass von ihm keine Gnade zu erwarten war.
»Schnappt euch das Weibsbild!«, befahl von Wertingen mit knarrender Stimme. »Den Burschen schickt meinetwegen zum Teufel.«
Wiehernd setzten sich die Pferde in Bewegung und bildeten einen Halbkreis um die zwei Gefangenen. Sofort rannte Puck auf die johlenden Reiter zu und fing an, sie kläffend zu umkreisen. Dabei achtete der kleine Hund tunlichst darauf, der großen Dogge nicht zu nahe zu kommen, die ihn böse anknurrte und an der Leine zog.
»Hat man so was schon gesehen?« Hans von Wertingen lachte so heftig, dass sein verbeulter Harnisch leise schepperte. »Ein mickriger Kläffer greift meine Saskia an! Die Töle ist ja genauso verrückt wie ihre Herrin. Komm schon, Saskia, hol sie dir!«
Er ließ die Leine los, und das Monstrum stürzte sich wie ein schwarzer Dämon auf Puck. Alles ging so schnell, dass Agnes nicht einmal Zeit hatte zu schreien. Die Fänge der Dogge schnappten zu und wirbelten den Dachshund durch die Luft wie einen nassen Lumpen. Im nächsten Moment lag Puck mit zerbissener Kehle vor seiner Herrin. Ein letztes heiseres Fiepen ertönte, dann erschlaffte das kleine Bündel Fell.
»Du … du Mörder! Du verdammter Mörder!«
Schreiend lief Agnes auf den noch immer lachenden Ritter zu und trommelte mit dem Falknerhandschuh auf seine Beine ein. Hans von Wertingen gab ihr einen Tritt, dass sie ausrutschte und mit dem Hinterkopf auf einen der Felsen prallte. Ein stechender Schmerz durchfuhr sie, einen Moment lang wurde ihr schwarz vor Augen.
»Dummes Weibsstück!«, knurrte von Wertingen. »Vergießt Tränen wegen so einer mickrigen Töle. Sag uns lieber, wo dein Falke ist, der bringt einen hübschen Batzen Geld ein. Red schon, sonst …«
»Keine falsche Bewegung, du Hundsfott!«
In ihrem Schmerz brauchte Agnes einen Moment, um zu begreifen, dass es tatsächlich Mathis war, der da gesprochen hatte. Als sie sich stöhnend vom Boden aufrichtete, sah sie den Sohn des Schmieds neben der Arkebuse stehen, in der rechten Hand eine brennende Lunte, die er nur eine Handbreit über die Zündpfanne hielt. Das Rohr lag noch immer auf dem Felsen und war direkt auf die vier Männer gerichtet.
»Ihr Schweine habt genauso viel Zeit, wie die Lunte brennt, um von hier zu verschwinden«, drohte Mathis. Seine Stimme zitterte leicht, doch der Blick war fest auf Hans von Wertingen gerichtet. »Wenn nicht, werden nicht mal eure Mütter eure stinkenden Kadaver wiedererkennen.«
Einige Sekunden lang war es auf der Lichtung so still, dass man nur das Knistern der Lunte hören konnte. Dann fing Hans von Wertingen erneut dröhnend an zu lachen.
»Ein dummer kleiner Bauer bedroht mich mit einer Donnerbüchse!« Er wischte sich die Tränen aus den Augen. »Verbrenn dir bloß nicht die Finger, Bursche. Mit was hast du das Höllenrohr denn geladen? Mit Eicheln?«
»Mit einer sechs Unzen schweren Bleikugel und gut einem Pfund feinstem gekörntem Schießpulver. Das reicht allemal aus, um mindestens einen von euch zur Hölle zu schicken.«
Hans von Wertingens Lachen verstummte abrupt, auch seine drei Männer wirkten nun merklich verunsichert.
»Dann hast also du vorhin den Schuss abgegeben?«, murmelte der Ritter misstrauisch. »Aber wie ist das möglich? Allein für das Stopfen der Büchse braucht man die Erfahrung eines mit allen Wassern gewaschenen Landsknechts. Und gekörntes Schießpulver ist teuer, das …«
»Die Lunte ist schon zur Hälfte abgebrannt«, unterbrach ihn Mathis. »Euch bleibt nicht mehr viel Zeit.« Er richtete das Rohr erneut aus. Diesmal zeigte es direkt auf von Wertingens verbeulten Harnisch. »Also verschwindet.«
»Du … du windiger …« Hans von Wertingen kostete es sichtlich Mühe, an sich zu halten. Schließlich spuckte er grimmig auf den Waldboden. »Ach was! Mich täuschst du
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