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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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in einem neuen Traum. Er war so beängstigend, dass sie mit den Füßen strampelte und immer wieder leise aufschrie …
    … ein langer Gang, an seinem Ende eine Tür. Agnes weiß, wer sich dahinter befindet. Die drei Männer sind heute früh gekommen, in edlen pelzverbrämten Mänteln, unter denen Waffenröcke klirren. Schon im Morgengrauen sind sie in die Burg geritten auf edlen Streitrössern, von denen jedes so viel kostet wie drei Bauernhöfe. Agnes hat ihre Blicke auf ihrem Leib gespürt, als der Burgvogt sie vorstellte, und im gleichen Moment wurde ihr bewusst, dass diese Männer ihr Böses ­wollen.
    Unfassbar Böses.
    Agnes geht weiter den Gang entlang. In den Händen trägt sie eine Karaffe Wein, die sie in den Saal bringen soll. Doch als sie sich der angelehnten Tür nähert, bleibt sie plötzlich stehen. Durch den Türspalt kann sie die Männer sehen. Sie stehen am offenen Kamin und warten auf den Burgvogt, ganz vertieft in ein Gespräch. Sie sprechen leise, dennoch dringen Wortfetzen wie verhallte böse Zaubersprüche zu Agnes herüber. Worte, die von Tod und Verderben berichten.
    Die Männer besprechen ihren und Johanns Tod.
    Was dort beratschlagt wird, ist so unglaublich, dass Agnes kurz glaubt, sie habe sich verhört. Ihr Atem stockt, die Hände zittern. Der ganze Trifels ist in Gefahr! Sie muss sofort den Burgvogt warnen! Vor allem aber muss sie Johann warnen, sie müssen noch heute Nacht gemeinsam …
    In diesem Augenblick rutscht ihr die Karaffe aus den Fingern, die vor Angstschweiß feucht und glitschig geworden sind. Klirrend zerbirst der Krug am Boden, ein Geräusch, so laut, als würde ein Berg zerspringen. Der Wein zerfließt auf dem steinernen Boden zu einer Lache, und für den Bruchteil einer Sekunde sieht Agnes darin ihr eigenes verzerrtes Antlitz. Aber das ist nicht sie! Oder doch? Sie ist älter, die blonden Haare ziert ein blumengeschmückter Metallreif, erste Falten haben sich in die Haut gegraben, ihr Antlitz ist eine angst­erstarrte Maske.
    Die Männer im Saal verstummen, ihre Blicke wandern hinüber zu dem Türspalt, an dem noch immer Agnes steht.
    Sie läuft den Gang zurück, während hinter ihr sich wütendes Geschrei erhebt, das schnell näher kommt. Türenschlagen, das Klirren von Kettenhemden, das Ratschen eines Schwerts, das aus der Scheide gezogen wird.
    Die Männer sind gekommen, sie zu töten …
    Mit einem heiseren Schrei wachte Agnes auf und sah sich orientierungslos in ihrer Kemenate um. Fast erwartete sie, dass im nächsten Moment die Tür eingetreten würde und die Männer mit gezogenen Schwertern in den Raum stürmten. Doch alles blieb ruhig, draußen kündigten die ersten Vögel den anbrechenden Tag an.
    Der Traum war zerplatzt wie eine Seifenblase, doch noch lange danach sah Agnes vor sich jenes angstverzerrte Antlitz in der Weinpfütze.
    Erst als die Sonne über den Baumwipfeln im Osten aufstieg, verblasste auch dies.
    ***
    Tief unten in der feuchten, kühlen Krypta der Annweiler Fortunatakirche stand an jenem frühen Morgen eine kleine Gruppe Menschen um einen steinernen Altar, sie hielten sich an den Händen. Gemeinsam summten sie ein altes lateinisches Kirchenlied, so wie bei jedem ihrer seltenen Treffen. Kaum einer wusste von dieser Zusammenkunft, nicht einmal der Annweiler Stadtpfarrer. Früher, in den alten Zeiten, war der jeweilige Gemeindepriester ein wichtiges Mitglied ihrer verschworenen Gemeinschaft gewesen. Doch der jetzige Pfarrer Johannes Lebner war ein fetter, gieriger Weinsack, der sich einen Teil der eingesammelten Ablässe in die eigene Tasche steckte und mit dem Stadtvogt gemeinsame Sache machte; ein Studierter aus dem fernen Köln, den allein der Zufall in diesen Ort gespült hatte und der von den alten Sitten und Bräuchen nichts verstand.
    Vor allem nicht von diesem Brauch.
    Sie waren zwölf, die Zahl der Apostel, einfache Annweiler Bürger, deren Familien seit nunmehr über zweihundert Jahren die Ordensmitglieder stellten. Nur wenn einer von ihnen starb, wurde ein Neuer in den Kreis aufgenommen. Sie nannten sich die Bruderschaft des Ringes, und seit jenen dunklen Tagen hüteten sie ein Geheimnis, von dem das Schicksal des Reiches abhängen konnte. Schon einmal, vor nicht allzu langer Zeit, wäre dieses Geheimnis beinahe gelüftet worden, doch sie hatten es gerade noch bewahren können.
    Nun drohte erneut Gefahr, auch wenn keiner von ihnen ahnte, wie nah sie tatsächlich am Abgrund standen.
    Die letzten Klänge des Liedes verhallten zwischen

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