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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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den verwitterten Steinen, die mit Wappen und Symbolen bemalt waren. Dann ergriff ihr Vorsitzender das Wort. Er hatte die siebzig längst überschritten, sein Gesicht war runzlig wie trockenes Leder, das Haar schlohweiß. In einem anderen Leben war er ein schlichter Gerber, ein treuer, hart arbeitender Mann mit acht erwachsenen Kindern und einem ungezählten Haufen Enkel und Urenkel, doch hier unten verströmte er die magische, herrschaftliche Aura eines vorzeitlichen Priesters. Als Zeichen seines Amtes trug er einen schlichten Umhang, der einst weiß gewesen und im Laufe der Jahrhunderte grau und fadenscheinig geworden war. Auf der Rückseite prangten drei Löwen mit erhobenen Tatzen.
    »Werte Brüder und Schwestern«, begann der Alte mit lauter Stimme, die durch das Gewölbe hallte. »Wie ihr wisst, stehen unsere Feinde nun zum zweiten Mal dicht davor, das Geheimnis zu lüften. Ja, ich muss euch sagen, dass sie bereits hier in der Gegend gewesen sind und ihre Hände danach ausgestreckt haben.« Ein ängstliches Murmeln erhob sich, und der Vorsitzende hob beruhigend die Arme. Dann wandte er sich an die Hebamme Elsbeth Rechsteiner, die sich bislang im Schatten gehalten hatte.
    »Wir haben Elsbeth als Ringhüterin schon vor längerer Zeit vor der Ankunft des Feindes gewarnt«, berichtete der Alte. »Trotzdem wurde sie entdeckt, so dass sie während der letzten Wochen untertauchen musste. Viele von euch dachten, sie sei tot. Dass sie nun wieder unter uns weilt, ist ein Grund zur Freude.« Er machte eine kleine Pause, bevor er fortfuhr: »Ich hoffe doch sehr, dass Elsbeth uns auch sonst Anlass zur Freude gibt, vor allem, was den Verbleib des Ringes betrifft …« Seine Stimme klang noch eine Weile drohend nach, während sich aller Augen auf die Hebamme richteten.
    Elsbeth Rechsteiner straffte sich. Die letzten Wochen hatte sie bei ihrer Nichte Sophia in Waldrohrbach verbracht, in der ständigen Angst, entdeckt zu werden. Furcht und Schlafmangel hatten tiefe Falten in ihr verhärmtes Gesicht gegraben. Endlich fasste sie sich ein Herz und wandte sich an die Ordensmitglieder.
    »Diese Männer, von denen unser oberster Bruder sprach …«, begann sie zögernd. »Ja, sie waren bei mir. Sie haben mein Haus auf den Kopf gestellt, um den Ring zu finden. Aber sie hatten keinen Erfolg.«
    Der Vorsitzende nickte erleichtert. »Dann hast du ihn also gut versteckt«, seufzte er.
    »Ich habe ihn nicht versteckt, ich habe ihn weggegeben.«
    Eine ganze Weile herrschte absolute Stille in der Krypa. Dann begannen alle aufgeregt durcheinanderzureden, bis der Alte zornig mit den Händen klatschte.
    »Ruhe! Ruhe!«, rief er. »Wenn ihr so weitermacht, wird man euch sicher oben in der Kirche hören! Die Morgenmesse beginnt gleich.« Als sich die Ordensmitglieder endlich wieder beruhigt hatten, wandte er sich mit zornrotem Kopf an Elsbeth. » Was hast du getan?«
    »Ich habe den Ring in die Hand Gottes gelegt, denn dort gehört er hin.« In zögernden, aber bedächtigen Worten berichtete sie der Bruderschaft, was sich zugetragen hatte.
    »Ich bin mir sicher, diese Männer wurden entsandt, um ihr Werk von damals zu vollenden«, schloss sie. »Dieser schwarzhäutige Mann ist schlau und gerissen, und er kommt von weit her. Jemand sehr Mächtiges muss ihn geschickt haben. Ich habe mich umgehört. Er war auch bei den anderen Hebammen in der Gegend, alle hat er das Gleiche gefragt. Auch in den Wirtshäusern, auf den Friedhöfen und in den Kirchenbüchern hat er geschnüffelt. Er und seine Schergen werden nicht eher aufgeben, bis sie gefunden haben, was sie suchen. Ich musste handeln.«
    »Du … du hast einem Falken unseren Ring gegeben!« Der Alte schüttelte fassungslos den Kopf. »Niemals hätte das geschehen dürfen, niemals! Habe ich dir damals in deiner Hütte nicht gesagt, wie wichtig deine Aufgabe ist? Wer weiß, was nun mit dem Ring geschieht? Es liegt nicht mehr in unserer Macht.«
    Elsbeth Rechsteiner straffte sich. »Es ist nicht unser Ring. Wenn ich ihn behalten hätte, befände er sich nun in der Hand des Feindes. Wäre das vielleicht besser gewesen? Als der Vogel auf meinem Fensterbrett landete, überkam mich eine seltsame Ahnung …«
    »Verflucht!« Ein stämmiger Mann in einer abgeschabten Lederschürze, so wie sie die Pfälzer Fuhrleute trugen, machte sich schimpfend bemerkbar. Es war Diethelm Seebach, der Wirt vom »Grünen Baum«, der auch schon bei dem Treffen in Elsbeths Hütte vor einigen Monaten zugegen gewesen war. »Soll

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