Die Burg der Könige
war.
Als die beiden sich schließlich am zweiten Tag ihrer Rückreise dem Kloster näherten, roch es schon von weitem nach Kohlenfeuer und Schlacke, ein dünner schwarzer Rauchfaden stieg von der Gusswerkstatt hinauf in den wolkenlosen Himmel. Gemeinsam mit den Burgmannen brachte Mathis seit Mai die Waffen der Trifelser Geschützkammer auf Vordermann und hatte sogar einige neue geschmiedet. Das Prunkstück war jedoch nach wie vor das gewaltige Feuerrohr, das mit über einer Tonne so schwer war, dass es nur mit der eigens dafür gezimmerten Lafette transportiert werden konnte. Neben die Gießerei hatten die Männer einen Holzschuppen gebaut, wo Mathis gerade an den teils verrosteten Eisenhaken der alten Hakenbüchsen feilte. Reichhart stand neben ihm und redete auf ihn ein.
Als die beiden Agnes und den Burgvogt kommen sahen, verbeugten sie sich tief.
»Gut, dass Ihr wieder da seid, Exzellenz!«, begrüßte Ulrich Reichhart seinen Herrn voller Aufregung. Seitdem er mit Mathis zusammenarbeitete, wirkte er um Jahre verjüngt und viel lebendiger als früher. »Der Mauerbrecher nimmt nun langsam Formen an«, sprudelte es aus ihm heraus. »Wir fertigen sogar noch ein paar kleinere Geschütze. Alles verläuft nach Plan. Wir werden also schon bald Wertingens Burg angreifen können. Im Grunde müssen wir nur noch …«
»Erstatte mir heute Abend Bericht, Ulrich«, unterbrach ihn der Vogt. »Ich bin jetzt zu müde. Außerdem muss ich mich mit dem Abt herumschlagen. Hoffentlich haben die Pfaffen wenigstens einen anständigen Tropfen Wein.«
Ohne ein weiteres Wort wendete er sein Pferd und trabte auf den Eingang des Klosters zu. Ulrich Reichhart sah ihm mit offenem Mund nach.
»Was ist denn in den Alten gefahren?«, knurrte er schließlich. »Wochenlang schaut er einem auf die Finger, und plötzlich will er nichts mehr von unserer Arbeit wissen.«
»Er hat Sorgen«, erwiderte Agnes sanft. »Es ist wegen des Geldes. Wir haben in Speyer nur zu hohen Zinsen einen Kredit bekommen. Und jetzt fürchtet er, dass der herzogliche Verwalter ihm schon bald den Trifels wegnimmt.«
»Ha, dann sollten wir Wertingens Burg eben umso eher angreifen!« Reichhart rieb sich die Hände. »Mir juckt es schon in den Fingern, diesen Hund endlich auszuräuchern. Außerdem sind wir ja nun bald fertig, und …«
»Nichts ist fertig!«, fuhr Mathis rüde dazwischen. Bislang war er mit seiner Arbeit schweigend fortgefahren, ohne Agnes auch nur einen Blick zuzuwerfen. Als er nun aufsah, bemerkte sie, dass er nur wenig geschlafen hatte. Sein Gesicht war blass, tiefe Augenringe zeichneten sich darin ab.
»Ich arbeite immer noch an der Lafette für das große Rohr«, murrte Mathis. »Außerdem haben wir bei weitem nicht genügend Salpeter für das Schießpulver gesammelt. Dabei sind schon alle Kloaken der Gegend ausgeräumt!«
»Gunther und Eberhart sind bereits unterwegs nach Dahn«, beruhigte ihn Reichhart. »Dort soll es noch Vorräte geben. Ich bin sicher, dass wir schon nächste Woche genügend beisammenhaben.« Er grinste und knuffte Mathis in die Seite. »Außerdem glaub ich, dass du ohnehin nie zufrieden bist. Wenn es nach dir geht, feilen wir noch nächsten Winter an den Mündungen herum.«
»Unsinn!«, schnaubte Mathis.
Er wandte sich ab und ging hinüber zum Brennofen. Schweigend begann er ihn zu schüren, wobei er klebrige Schlackebrocken aus dem großen Schmelztiegel kratzte. Agnes beobachtete Mathis nachdenklich. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen.
Mit einer Kopfbewegung schickte sie den Geschützmeister fort. Erst als Ulrich Reichhart hinter dem neu errichteten Lagerschuppen verschwunden war, sprach sie Mathis an: »Was ist mit dir? Es ist doch nicht wegen der Arbeit, dass du so müde und schweigsam bist, sondern wegen etwas anderem, oder?«
Mathis warf einen weiteren Scheit Tannenholz ins Ofenfeuer. Dann richtete er sich auf und nickte. »Es ist mein Vater«, begann er zögerlich. »Ich … ich glaube, er stirbt bald. Sein Husten wird von Tag zu Tag schlimmer, er spuckt immer mehr Blut …« Seine Stimme brach ab.
Agnes ergriff seine schwielige Hand, die schwarz von Asche und Schlacke war. »Du musst mit ihm reden«, sagte sie leise. »Beendet euren Streit. Am besten gleich, bevor es zu spät ist.«
Mathis lachte kehlig. »Wie denn? Der sture Bock schaut mich ja nicht mal an! Für ihn ist das, was ich hier tue, Verrat an unserem ganzen Berufsstand. Doch wer braucht noch Schwerter und Lanzenspitzen, wenn es Feuerrohre gibt?
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