Die Burg der Könige
jetzt so sehen könnte, der alte Sturkopf. Wollte auch nicht sterben und hat mich lange Jahre auf den Thron warten lassen.«
Er lächelte, als er daran dachte, dass die kleine Claude vor vielen Jahren mit seinem größten Widersacher Karl V. hätte verheiratet werden sollen. Gott sei Dank war aus der Sache nichts geworden, Franz’ ehrgeizige Mutter hatte das zu verhindern gewusst. Der junge Karl hätte sonst wirklich über ganz Europa geherrscht.
Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird er das auch so bald tun. Ein Wunder …
Ganz plötzlich öffnete Claude von Frankreich die Augen. Sie waren glasig und leer wie die einer Puppe. Ein Speichelfaden troff ihr aus dem Mundwinkel, während ein pfeifendes Geräusch ihrer Kehle entwich. Trotz des seidenen Nachthemds, der prall gefüllten Daunenkissen und des Himmelbetts mit Baldachin sah die Königin aus wie ein krepierendes Tier.
Angewidert wich Franz zurück. Man konnte wirklich nur hoffen, dass dieses Leiden nicht mehr allzu lange dauerte. Mit Grausen dachte er bereits an die Beerdigung, die ihn Unsummen kosten würde. Dabei brauchte er gerade jetzt jeden einzelnen Sous für die Kriegskasse! Mit jeder Faser seines Körpers spürte Franz, dass das Schicksal Frankreichs, und vor allem sein eigenes Schicksal, sich schon in den nächsten Monaten entscheiden würde.
Claudes baldiger Tod war wie ein Fanal. Er brachte Bewegung in eine Angelegenheit, die der König fast so genau verfolgte wie den Kampf um sein Heimatland. Beinahe täglich ließ er bei seinem Kanzler Duprat nachfragen, ob es Nachricht aus dem fernen Wasgau gab. Doch dessen teuer bezahlter Agent hatte vor Ort immer noch nichts herausgefunden.
Ein Wunder, ich brauche ein gottverdammtes Wunder …
Als Franz diesmal betete, galt sein Flehen nicht seiner todkranken Gemahlin, sondern dem Schicksal, das sich für den Lauf der Geschichte ebenjenen trostlosen Flecken irgendwo hinter den Vogesen auserkoren hatte.
Er schlug ein Kreuz, erhob sich und ging eiligen Schrittes zum Ausgang, während sich eine fette Schmeißfliege auf die Nase der französischen Königin setzte.
***
Mathis wischte sich den Schweiß von der Stirn und blickte auf die Raubritterburg, die auf dem Hügel vor ihnen aufragte. Sie waren noch vor Morgengrauen aufgebrochen, sein Hemd und das Wams waren bereits völlig durchgeschwitzt. Über einen schmalen, im Schatten schlammigen Pfad hatten die Bauern und Landsknechte die Wagen und Lafetten Meter für Meter den Burgberg hinaufgeschoben. Nun endlich, gegen Mittag, lag das Ziel ihres Angriffs vor ihnen. Die Ramburg hatte ohne Zweifel bessere Tage gesehen, viele Stellen waren von Moos überwachsen, an den Burgzinnen hatte der Zahn der Zeit genagt. Doch die Mauern der Kernburg schienen erst vor kurzem ausgebessert worden zu sein; an vielen Stellen glänzten Mörtel und frisches Mauerwerk.
»Der fette Dachs hat Frühjahrsputz gemacht und sich in seinen Bau verkrochen«, knurrte der alte Geschützmeister Ulrich Reichhart. »Wird schwer werden, ihn dort oben rauszuholen.«
Argwöhnisch musterte Mathis mit den anderen Soldaten das Gelände. Die Burg lag auf einem Felssporn, der nach drei Seiten hin steil abfiel. Im Nordwesten war sie durch einen flachen Sattel mit dem Nachbarhügel verbunden, hier erhob sich die gewaltigste Schildmauer, die der junge Schmied je gesehen hatte. Einen Steinwurf weit davon entfernt umschloss eine weitere Mauer die Vorburg, im Westen führte eine steile Rampe hinauf zum Burgtor.
Vor Mathis lag eine öde, teilweise noch von rauchenden Aschehaufen gesprenkelte Fläche. Hans von Wertingen hatte die gesamte Bergkuppe brandroden lassen, um seinen Feinden keine Möglichkeit zu bieten, sich im Schutz von Gestrüpp und Baumgruppen anzupirschen. Auf den Zinnen der Schildmauer tauchten nun ein paar von Wertingens Burgmannen auf. Sie machten obszöne Gesten in Richtung der Belagerer, einer der Männer hielt ihnen den nackten Hintern entgegen.
»Denen wird das Spaßen schon noch vergehen!«, fluchte Philipp von Erfenstein, der soeben neben Mathis und Ulrich Reichhart getreten war. Trotz der aufkommenden Mittagshitze trug der Ritter seine schwere Rüstung, der Schweiß lief ihm in breiten Bahnen übers Gesicht.
»He, Wertingen!«, schrie er hoch zur Schildmauer. »Du feiges Stück Aas! Komm raus und kämpfe wie ein Mann!«
Doch außer einigen höhnischen Rufen kam keine Antwort.
»Wie hoch mag diese Mauer sein?«, fragte Reichhart skeptisch. »Fünfzig Fuß? Sechzig?«
Philipp von
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