Die Burg der Könige
Erfenstein zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Es ist jedenfalls die verflucht höchste Schildmauer, die mir je begegnet ist. Wenn der Trifels so eine hätte, würde ich selbst den Türken meinen nackten Arsch zeigen.«
»Nun, dafür haben wir ja unseren Herrn Geschützmeister dabei, nicht wahr?« Es war die schneidende Stimme Friedrich von Scharfenecks, der nun mit glänzendem Brustharnisch zwischen seinen Landsknechten auftauchte. »Was meinst du, Bursche?«, wandte er sich lächelnd an Mathis. »Wie lange wird dein Feuerrohr brauchen, um sich seinen Weg dort durchzufressen?«
»Das … das kommt ganz auf die Dicke der Mauer an«, erwiderte Mathis unsicher. Skeptisch sah er hinüber zur Dicken Hedwig, die auf einem der Wagen ruhte.
»Darüber gebe ich dir gerne Auskunft.« Friedrich von Scharfeneck zog seinen Degen aus der Scheide und prüfte gelangweilt dessen Schärfe. »Die Schildmauer der Ramburg ist exakt neun Fuß breit und beinahe sechzig Fuß hoch. Es ist die höchste und dickste in der ganzen Pfalz.«
»Verdammt, und warum erfahren wir das erst jetzt!«, mischte sich Erfenstein ein. »Wenn Ihr die Burg so gut kennt, Euer Durchlaucht, wäre es hilfreich gewesen, uns an Eurem Wissen teilhaben zu lassen!«
»Und was hätte das geändert?« Scharfeneck steckte den Degen entschlossen zurück in die Scheide. »Hätte unser Wunderknabe dann vielleicht eine noch größere Waffe gebaut? Glaubt mir, Erfenstein, dieses Aas von Wertingen tanzt uns Scharfenecks schon seit langem auf der Nase herum.« Er deutete hinüber zu den benachbarten Hügeln, wo verschwommen die Zinnen von Burg Neuscharfeneck zu sehen waren. »Meint Ihr, wir hätten nicht schon mehrmals überlegt, diese Räuberhöhle hier einzunehmen? Meint Ihr, ich hätte um Eure Hilfe ersucht, wenn ich das alleine geschafft hätte? Was ich gesagt habe, gilt, Erfenstein. Ihr schleift mir diese Burg, und ich sorge dafür, dass Ihr als Trifelser Burgvogt wieder zu Recht und Ansehen kommt. Versagt Ihr, dann kriecht Ihr zurück in den Schmutz, aus dem Ihr gekommen seid. In diesem Fall würde ich auch mein anderes Angebot zurückziehen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Ihr … Ihr eingebildeter …«
Erfensteins Gesicht schwoll unter dem Helm puterrot an, seine Hand zuckte. Kurz schien er versucht, dem jungen Grafen eine schallende Ohrfeige zu geben. Dann atmete der alte Burgvogt tief durch und besann sich eines Besseren. Unterdessen fragte sich Mathis, was Scharfeneck mit jenem anderen Angebot gemeint hatte. Waren etwa noch weitere Fehden geplant, an denen er als Geschützmeister teilnehmen sollte?
»Das da mag die höchste und dickste Mauer der Pfalz sein, aber ich habe auch den verflucht besten Büchsenmeister der Pfalz«, knurrte Erfenstein. »Ihr werdet sehen, mein Mathis wird den Schwarzen Hans mitsamt seiner Burg wegblasen.«
Der junge Schmied schluckte, als ihm einmal mehr bewusst wurde, dass in diesem Feldzug alle Erwartungen auf seinen Schultern lasteten. Neun Fuß Mauerdicke! Wenn Scharfeneck recht hatte, würde selbst die Dicke Hedwig kaum ausreichen, die Schildmauer zu durchbrechen. Mit schmalen Lippen musterte Mathis noch einmal die Befestigungsanlage.
»Ich sehe, dass die Mauer an den Seiten niedriger wird«, sagte er leise und versuchte, nicht mehr unsicher zu wirken. »Gibt es denn eine Stelle, an der sie nicht ganz so dick ist?«
»Die gibt es«, meldete sich Ulrich Reichhart zu Wort. »Meine Späher haben das Gelände bereits in Augenschein genommen. Allerdings fällt das Gelände schnell ab, dort können wir keine großen Geschütze aufstellen. Der Winkel ist zu steil.«
»Und hier vorne werden wir abgeknallt wie die Kaninchen, verdammt!«, zischte Erfenstein. »Das Terrain ist so nackt wie der Arsch einer Hure. Da können wir uns auch gleich selbst niederschießen.«
»Nicht, wenn wir aus Holz große Schilde bauen, hinter denen wir uns verstecken können«, erwiderte Mathis nachdenklich. Er hatte jetzt wieder zu seiner alten Sicherheit zurückgefunden, sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. »Mit den kleineren Feuerwaffen führen wir, während ich die Dicke Hedwig justiere, an anderer Stelle immer wieder Scheinangriffe aus«, murmelte er. »Und vorne an der Südseite postieren wir Attrappen.«
»Attrappen?« Friedrich von Scharfeneck zog spöttisch die Augenbrauen hoch. »Und darauf soll Wertingen hereinfallen? Lachhaft.«
»Ich habe in einem Buch davon gelesen«, erwiderte Mathis kühl. »Im ›Bellifortis‹ von Konrad
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