Die Burg der Könige
dich verraten! Weißt du überhaupt, was das ist? Diese Spange hat einst meiner Mutter gehört! Mein Vater hat sie vor ein paar Wochen zu den Münzen getan, die der Neukasteller Burgvogt bekommen sollte. Weil er den Bauern nicht noch mehr abpressen wollte!« In den Augen Margarethes stand nun ungläubiges Entsetzen, sie begann am ganzen Leib zu zittern. Die gerade noch trotzig verschränkten Arme fielen leblos herab.
»Du konntest das nicht wissen, weil du diese Spange noch nie gesehen hast!«, fuhr Agnes rot vor Zorn fort. »Aber ich kenne sie seit meiner Kindheit! Dein Freier hat dir das Schmuckstück nach dem Raubzug zugesteckt, vermutlich, damit du ihm weitere Einzelheiten verrätst. Ist es nicht so? Gleich als ich dieses Kleid auf Heidelsheims Beerdigung gesehen habe, wusste ich, dass etwas nicht stimmt. Du … du verräterische Schlange!«
Margarethe war nun an der Wand zu Boden gerutscht und hielt sich die Hände vors Gesicht, als drohten ihr Schläge.
»Bitte, bitte, sagt es nicht Eurem Vater!«, flehte sie. »Es … es war nicht so, wie Ihr denkt! Ich hab ja nicht gewusst, dass dieser Mann einer von Wertingens Leuten ist. Er war gut gekleidet, wie ein braver Handwerker. Und er hat mir Wein gegeben, viel Wein. Bei Gott, ich wusste danach nicht mehr, was ich ihm alles gesagt habe!«
»Und trotzdem hast du dich weiterhin mit ihm getroffen und hast ihm noch mehr erzählt«, zischte Agnes. »Spätestens, als Wertingens Männer von der Geldübergabe wussten und unseren Sebastian umgebracht haben, hättest du doch Verdacht schöpfen müssen!«
Margarethe sank in sich zusammen, ihre Stimme war nur noch ein Wimmern. »Ich … ich wollte es nicht wahrhaben«, heulte sie. »Ich dachte, da ist endlich der Mann, der mich aus diesem Loch herausholt. Mit dem ich gemeinsam an einem Herdfeuer in einem Bürgershaus sitzen kann, ein paar Kinder auf dem Arm …«
Agnes ließ Margarethe weinen und musterte sie kühl.
»Ich könnte beinahe glauben, dass du wirklich so dumm bist«, erwiderte sie schließlich. »Ich würde es gern glauben, allein unserer alten Freundschaft zuliebe. Aber ich kann es nicht. Ich glaube, dass du in deinem tiefsten Inneren wusstest, was du tatest. Aber du hast nur an dich gedacht.«
»Und wenn es so wäre?« Margarethe hatte plötzlich zu weinen aufgehört. Trotzig wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und richtete sich auf. »Was wisst Ihr schon davon, was es heißt, hier jahrelang auf einen Mann zu warten? Alt zu werden mit der Angst, dass es irgendwann zu spät ist? Dass dir der Burgherr irgendwann einen Tritt verpasst und dich hinaus in die Wälder schickt, damit du dort als altes Weib verreckst! Was wisst Ihr schon vom wahren Leben, Vogtstochter ? Es ist doch wahr, was der Schäfer-Jockel sagt: Als Adam grub und Eva spann, wo war da der Edelmann?!«
Die letzten Worte hatte Margarethe wie einen Fluch ausgestoßen. Nun raffte sie ihr so teuer bezahltes Kleid und eilte ohne ein weiteres Wort hinaus. Für einen kurzen Augenblick glaubte Agnes, tatsächlich keine Magd, sondern eine Herrin vor sich zu sehen, dann schlug die Tür zu, und sie war allein.
Noch immer zitternd vor Zorn setzte sie sich auf ihr Bett und versuchte zur Ruhe zu kommen. Margarethe hatte Sebastians Tod auf dem Gewissen und vielleicht auch bald den Tod vieler anderer – nachdem der Schwarze Hans nun vermutlich alles über Mathis’ Feuerwaffen wusste. Aber hatte sie wirklich vorsätzlich gehandelt? Konnte Agnes ihrem Vater von Margarethes Verrat erzählen? Auf dieses Verbrechen stand der Tod in seiner schlimmsten Form, Verräter wurden gevierteilt, gepfählt oder in heißem Öl gesotten. Was würde ihr Vater tun? Agnes musste an Margarethes letzte Worte denken und an all die armen Bauern, die dort draußen jedes Jahr aufs Neue gegen Hunger, Kälte und all die Ungerechtigkeiten der Mächtigen kämpften.
Was weißt du schon vom wahren Leben, Vogtstochter!
Vielleicht hatte Margarethe ja recht, und sie war nichts weiter als ein verzogenes Gör, das mit ihrem Falken auf die Jagd ging und von alten Rittergeschichten träumte. Plötzlich hatte Agnes alle Lust verloren, mit Parcival in die Wälder zu gehen. Grübelnd starrte sie hinauf zur Decke, wo ein paar zornig summende Bienen verzweifelt nach einem Schlupfloch suchten.
***
Es dauerte bis zum Abend des folgenden Tages, bis die Landsknechte und Bauern sämtliches Gerät auf dem Plateau vor der Raubritterburg abgeladen und zusammengesetzt hatten. Die meiste Zeit nahm
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