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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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dass wir das Tor stürmen«, erwiderte Mathis. »Deshalb sollten die Landsknechte einen echten Angriff wagen.«
    »Das können genauso gut Erfensteins Bauern erledigen.« Der junge Graf schüttelte den Kopf. »Ich setze nicht meine teuren Söldner aufs Spiel für einen Angriff, der nur ablenken soll.«
    »Aber die Bauern werden den Schüssen wehrlos ausgeliefert sein!«, erzürnte sich Mathis. »Das ist glatter Mord. Sie haben keine Erfahrung im Krieg!«
    Scharfeneck zuckte mit den Schultern. »Eben deshalb sind sie verzichtbar. Mein letztes Wort. Die Bauern übernehmen das Tor, meine Männer bleiben im Hintergrund.«
    »Aber …«, begann Mathis von neuem. Doch eine starke Hand auf seiner Schulter ließ ihn innehalten. Es war Philipp von Erfenstein.
    »Ich werde die Bauern anführen«, sagte der alte Burgvogt bestimmt. »Ich habe sie hergebracht, also sorge ich auch dafür, dass sie wieder heil zu ihren Familien zurückkommen.« Er machte eine nachdenkliche Pause. »Zumindest die meisten von ihnen.«
    Dann wandte er sich ab und ging hinüber zum Zelt. »Es wird Zeit, ein letztes Mal meine Rüstung zu ölen«, brummte er mehr zu sich selbst. »Seit Guinegate sind doch ein paar Jährchen vergangen.«
    ***
    Müde und hungrig kauerte die Hebamme Elsbeth Rechsteiner auf einer Mole und blickte hinaus auf das trübe Wasser des Rheins. Im Westen versank soeben die Sonne hinter den Bergen, und der Abend brachte eine Kühle mit sich, die Elsbeth frösteln ließ. Sie zog sich das löchrige Tuch über die Schultern, dann blickte sie zurück zu den bewaldeten Hügeln, die hinter der Rheinebene aufragten und aus denen sie vor zwei Tagen wie ein gehetztes Tier geflohen war.
    Elsbeths Füße schmerzten vom langen Gehen, durch die dünnen Sohlen ihrer Schuhe hatten sich Dornen und Disteln gebohrt. Wann immer es möglich war, hatte sie die großen Straßen gemieden und war auf kleinen Pfaden und Wildwechseln durch die sumpfigen Auwälder und Felder gelaufen, sie hatte von Beeren, Pilzen und Kräutern gelebt und nur selten gerastet. Erst hier am Rhein war ihre Reise jäh unterbrochen worden, denn die letzte Fähre hinüber ans andere Ufer hatte bereits vor einigen Stunden abgelegt. Bauern hatten ihr erzählt, der nächste Kahn werde erst bei Morgengrauen übersetzen. So lange musste sie also noch warten.
    Warten und bangen, ob ihr die Verfolger bereits auf den Fersen waren.
    Elsbeth Rechsteiner zitterte unter dem dünnen Wolltuch. Nach dem letzten Treffen der Bruderschaft auf der Waldlichtung hatten sie schwere Gewissensbisse geplagt. War es wirklich richtig gewesen, das Schicksal des Reiches in die Hände irgendwelcher unbekannter Mönche zu legen? Wer wusste denn, ob die Patres das Dokument nicht für ihre eigenen Zwecke nutzten? Wenn der Ringorden erlosch, würde kein Einziger mehr wissen, wo sich das Pergament befand! Also hatte Elsbeth beschlossen, das Geheimnis mit einem weiteren Mitwisser zu teilen, einem erfahrenen, weisen Freund. Sollte dieser entscheiden, wann die Zeit reif war. Danach hatte Elsbeth sich endlich ruhiger gefühlt.
    Doch dann geschah etwas Schreckliches: Als sie in jener Nacht wieder bei ihrer Nichte in Waldrohrbach unterschlüpfen wollte, war im Ort bereits nach ihr gefragt worden, von jenem schwarzhäutigen Fremden, der ihr schon einmal aufgelauert hatte! Ob er sie selbst gefunden oder ob ein Verräter aus der Bruderschaft ihm dabei geholfen hatte, konnte Elsbeth nicht sagen. Letztendlich spielte es auch keine Rolle.
    Seitdem war die Hebamme auf der Flucht.
    Elsbeth Rechsteiner sah sich erschrocken um, als es im Schilf hinter ihr plötzlich laut knackte. Erleichtert atmete sie auf, als ein Reiher nur unweit von ihr in den Himmel stieg und mit weiten Flügelschlägen auf das gegenüberliegende Ufer zuflog. Elsbeth hatte noch eine entfernte Cousine, die in Dettenheim auf der anderen Rheinseite lebte. Dort wollte die Hebamme zunächst hin, alles Weitere würde man sehen.
    Erschöpft und hungrig rieb sich die alte Frau die wunden Zehen, während langsam der Abendnebel aufstieg. Breite Flöße und tief im Wasser liegende Lastkähne zogen an ihr vorbei, von einem der Schiffe wehte leise Musik zu ihr her­über. Es roch nach Algen, Fisch und Torffeuer. Das andere Ufer war nur etwa fünfzig Schritt entfernt, doch in der aufziehenden Dämmerung konnte Elsbeth es bereits nur noch als schwarzen Streifen erkennen. Etwa eine Viertelmeile dahinter waren die warmen Lichter eines Dorfs zu sehen. Dort lag Dettenheim, wo ihre

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