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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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daran, und die kleine versteckte Klappe öffnete sich zu der Höhlung dahinter.
    Die Nische war leer.
    Agnes runzelte die Stirn. Wenn Friedrich die verräterischen Bücher dahinter gefunden hätte, wäre dies sicher ein willkommener Anlass für ihn gewesen, den alten Mönch loszuwerden – und sie hätte davon gehört. Es war also wahrschein­licher, dass Pater Tristan selbst die Bücher vernichtet oder möglicherweise mit nach Eußerthal genommen hatte. Sie beugte sich tiefer hinein in die Höhlung und tastete noch einmal den staubigen Boden ab, da berührte sie mit den Fingern plötzlich einen Fetzen Pergament. Als sie ihn ans Licht zog, erkannte sie, dass er von der gleichen Beschaffenheit war wie das Pergament, aus dem die Blätter der Trifelser Chronik ­geschnitten waren. Agnes erinnerte sich, dass einige Seiten herausgerissen worden waren. Konnte dies ein Stück davon sein?
    Der Fetzen war nicht viel größer als ihr Daumen und an den Rändern verkohlt. Nur einige wenige Wörter waren darauf noch zu erkennen. Agnes hielt ihn dicht vor die Augen, um die Wörter im Dämmerlicht der Bibliothek besser lesen zu können.
    Ioannes et Constanza fugae se mandabant …
    »Johann und Constanza flohen«, murmelte sie leise.
    Agnes’ Herz schlug schneller. Johann musste jener Welfe Johann von Braunschweig sein, von dem sie bis vor einem Dreivierteljahr so oft geträumt hatte. Und Constanza? Agnes dachte an ihre Gefühle in den Träumen, an die Liebe, die sie für Johann empfunden hatte. Es waren nicht ihre Empfindungen gewesen, es waren die Gefühle einer Frau, durch deren Augen sie ihre Träume durchlebte.
    Constanza …
    Endlich wusste sie ihren Namen! Heftig atmend schloss Agnes die Augen und versuchte sich an all das zu erinnern, was sie seit dem Fund des Rings bislang geträumt hatte. Die Frau mit dem Namen Constanza hatte Johann von Braunschweig offenbar auf dem Trifels bei dessen Schwertleite kennengelernt. 1293 war das laut der Burgchronik gewesen. Die zwei wurden ein Paar, sie bekamen ein Kind, doch etwas stand zwischen ihnen. Etwas, das auf irgendeine Weise mit dem Ring zu tun hatte, den Constanza bei sich trug. Hatte Johann wirklich ein Komplott gegen den römisch-deutschen König Albrecht von Habsburg geplant, oder war das nur ein Vorwand gewesen, ihn und Constanza aus dem Weg zu schaffen? Als die kleine Familie kurz darauf vom Trifels floh, hatte Constanza einen in ein Tuch gehüllten Gegenstand bei sich. Was in Gottes Namen war damals bloß geschehen?
    Agnes erinnerte sich daran, was ihr Pater Tristan vor einiger Zeit über die herausgerissenen Seiten gesagt hatte.
    Jemand wollte wohl, dass dieses düstere Kapitel für immer vergessen wird …
    Der Mönch meinte damals, der Welfe Johann von Braunschweig sei bei seiner Flucht in Speyer gefasst und getötet worden. Doch das war nicht die ganze Wahrheit. Johann und Constanza waren gemeinsam vom Trifels geflohen.
    Ioannes et Constanza fugae se mandabant …
    Gedankenverloren strich Agnes über den zerknitterten Fetzen Pergament. Was war mit dieser Frau geschehen? Und warum träumte sie immer wieder von ihr? Warum waren die Seiten aus dem Buch entfernt worden? Warum …
    Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag.
    Pater Tristan hatte behauptet, die Seiten seien schon vor langer Zeit herausgerissen worden. Doch der vergessene Fetzen in dem Geheimfach ließ eine ganz andere Deutung zu: Er selbst hatte das verräterische Kapitel entfernt!
    Agnes’ Faust ballte sich um das Stück Papier. Sie stand auf und ging zum Ausgang, während es noch immer in ihr arbeitete. Pater Tristan hatte sie belogen, vermutlich sogar mehrmals. Auch damals, kurz bevor ihr Vater starb …
    Mit schmalen Lippen eilte Agnes die Stufen des Burgturms hinunter und hinaus auf den Hof, wo die verdutzten Wachen sich hastig erhoben und verbeugten. Die neue Gräfin von Löwenstein-Scharfeneck, Herrin vom Trifels und Tochter des Edlen zu Erfenstein, beachtete sie nicht weiter.
    Agnes musste mit Pater Tristan reden, und zwar bald.

KAPITEL 15
    Kloster Eußerthal, 8. April,
    Anno Domini 1525
    ie Bauern griffen das Eußerthaler Kloster in den frühen Mor­genstunden an, vor dem ersten Tagesgebet, der Laudes.
    Die Sonne verbarg sich noch hinter den Wipfeln des Waldes und schickte als ersten Vorboten einen rötlichen Schimmer über den Horizont. Er verlieh dem roten Sandstein der Gebäude einen glühenden Farbton, der Mathis an Blut denken ließ.
    An das viele Blut, das hier bald vergossen wird, ging es ihm

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