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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Weise hatte sie dafür gesorgt, dass nicht nur Scharfenberg, sondern auch der Trifels von den Bauarbeiten profitierte. Gelegentlich konnte der Graf sogar charmant sein. So ließ er ihr Bücher aus Speyer bringen und verbot ihr weder die Jagd noch ihre geliebten Beinlinge.
    Dabei vergaß Agnes jedoch nie, dass es Friedrich von Schar­feneck gewesen war, der mit größter Wahrscheinlichkeit ihren Vater heimtückisch ermordet hatte. Er war ein gewissenloser Machtmensch und Fanatiker, vor allem dann, wenn es um den sagenhaften Schatz der Normannen ging. Manchmal kam es Agnes vor, als schlüge Friedrichs Besessenheit langsam in Wahnsinn um. Sie selbst glaubte schon lange nicht mehr daran, dass Kaiser Heinrich einen Teil seiner Kriegsbeute hier irgendwo versteckt hatte. Vermutlich war das Geld im Lauf der Zeit einfach verprasst worden.
    Spontan beschloss sie, den Wachen Gunther und Eberhart einen Besuch abzustatten. Es war doch schon einige Zeit her, seit sie zuletzt auf dem Trifels gewesen war. Die beiden Burgmänner saßen wie so oft, eingehüllt in ihre löchrigen Wollmäntel, beim Würfelspiel am Treppeneingang zum oberen Burghof. Als sie Agnes erkannten, sprangen sie sofort auf und nahmen Haltung an.
    »Seid … seid gegrüßt, Frau Gräfin«, stammelte Gunther und machte einen tiefen Bückling. »Es ist eine Freude, Euch zu sehen.«
    Agnes lächelte. Sie musste daran denken, wie die gleichen Männer sie noch vor einigen Jahren an den Ohren gezogen hatten.
    »Schon gut, Gunther«, erwiderte sie. »Verneig dich nicht zu tief, das tut deinen alten Knochen nicht gut. Sag mir lieber, wie es um die Burg steht.«
    »Die Knochen des Trifels sind noch wesentlich älter als meine«, erwiderte der Wachmann grinsend. »Es tut der Burg gut, dass man sich jetzt ihrer ein wenig annimmt.« Plötzlich wurde seine Miene ernst. »Trotzdem ist es nicht mehr so wie früher, als Euer guter Vater noch lebte.«
    Agnes nickte. Für die Männer war Philipp von Erfenstein nach wie vor an Wundbrand gestorben. Außer ihr und Pater Tristan wusste keiner, was vermutlich vorgefallen war. Erneut stieg Hass auf ihren Gemahl in ihr auf.
    Ich sollte ihn genauso vergiften, wie er das mit meinem Vater getan hat! , fuhr ihr durch den Kopf. Ich habe nur nicht den Mut dazu.
    Die beiden Burgmänner sahen sie ratlos an, und Agnes wurde klar, dass sie wohl schon einige Zeit nichts mehr gesagt hatte.
    »Ich … ich werde drinnen mal nach dem Rechten sehen«, sagte sie schließlich stockend, um die Männer nicht noch weiter zu verwirren. »Scheint so, als plagt mich doch ein wenig das Heimweh.«
    »Natürlich, Gräfin. Ihr kennt Euch ja noch aus, nicht wahr?«
    »Besser als in meinem eigenen Herzen«, erwiderte sie ­düster.
    Unter weiteren Verbeugungen traten die Wachen zur Seite, und Agnes stieg die Stufen hinauf zum oberen Burghof und von dort in den Burgturm. Wie von einem inneren Drang gelenkt, führten ihre Schritte sie vor die Tür zur Bibliothek im dritten Stock. Seit vielen Wochen war sie schon nicht mehr hier gewesen. Als sie die Klinke hinunterdrückte, schwang die Tür lautlos auf; der Geruch nach altem Pergament, nach Staub und vergilbtem Papier empfing sie wie ein alter Freund. Ihr Blick glitt über die vielen Reihen Bücher und Schriftrollen, die in den Regalen an der Wand standen. Verträumt schloss sie die Augen. Wie oft hatte sie hier am Ofen gesessen, hatte gelesen und die Welt um sich herum vergessen! Sie musste an Pater Tristan denken, und eine brennende Sehnsucht stieg in ihrer Kehle auf. Seit Wochen hatte sie ihren Beichtvater nun schon nicht mehr gesehen.
    Ziellos ging Agnes auf eines der Regale zu und strich über die einzelnen Buchrücken. Die Trifelser Chronik hatte Frie­d­rich nach Burg Scharfenberg mitgenommen, genau wie einige andere Werke, von denen er sich Aufklärung über den Normannenschatz versprach. Trotzdem gab es hier immer noch genug zu lesen für viele lange Winternächte. Sie überlegte, ob sie sich vielleicht ein paar der Bücher mit nach Scharfenberg nehmen sollte. Den bebilderten »Weißkunig« etwa von Kaiser Maximilian, in dem sie immer so gerne geschmökert hatte, oder die alten burgundischen Sagen.
    Plötzlich fielen Agnes die verbotenen Bücher Martin Luthers und Philipp Melanchthons wieder ein, und das Geheimfach, in dem Pater Tristan sie einst verborgen hatte. Ob ihr Gemahl die Nische bereits entdeckt hatte? Sie suchte nach dem hölzernen Buchrücken mit der Aufschrift von Dantes zehntem Höllenkreis, zog

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