Die Burg der Könige
gibt nämlich gute Nachrichten, Meister Wielenbach. Während Ihr hier Eure Krankheit auskuriert habt, habe ich mich am Flusshafen mit einigen Reisenden unterhalten, die von Süden kamen. Sie können sich an eine Gruppe Männer mit einem Affen und ein paar sprechenden Vögeln erinnern. Zwei Frauen waren wohl auch dabei. Ich hatte also recht mit meiner Vermutung.« Melchior tauchte erneut den Löffel in die Suppe und pustete demonstrativ. »Und jetzt esst. Je schneller Ihr wieder auf die Beine kommt, umso eher können wir aufbrechen und Agnes einholen. Na, was ist?«
Seufzend gab Mathis auf und aß seine Suppe. Sie schmeckte erstaunlich gut, nach Fleisch, Salz und Fett, jeder einzelne Löffel gab ihm neue Kraft.
»Ihr habt im Traum mehrere Male von einem Ring gesprochen«, sagte Melchior, während er Mathis beim Essen zusah. »War das Agnes’ Ring? Wisst Ihr etwas darüber?«
Mathis zuckte mit den Schultern. »Nicht mehr als das, was Agnes Euch vermutlich auch erzählt hat. Er befand sich eines Tages an der Klaue ihres Falken, wo ihn irgendjemand hingesteckt hatte. Der Ring stammt wohl aus der Zeit Barbarossas und ist ein Siegelring.«
»Hat sie ihn früher schon mal gesehen?«, hakte Melchior neugierig nach. »Als Kind vielleicht?«
»Nicht dass ich wüsste. Die Träume setzten erst ein, als sie den Ring bei sich trug. Mehr weiß ich auch nicht.«
Befriedigt leckte Mathis die letzten Reste der Suppe aus dem Teller. »Womit habt Ihr das Essen und die Betten bezahlt?«, wollte er unvermittelt von Melchior wissen. »Habt Ihr etwa Eure Laute verkauft? Nicht, dass ich darüber in Tränen ausbrechen würde, aber …«
Der Barde grinste. »Das würde ich niemals tun. Aber ich fürchte, wir müssen in Zukunft mit weitaus gröberen Mänteln auskommen. Die Kleider des Grafen haben einiges eingebracht, allein die silberne Fibel an Eurem Umhang war ein kleines Vermögen wert. Das sollte für unsere weitere Reise reichen.«
»Und wohin soll die gehen?« Mathis’ Gesicht verfinsterte sich. »Selbst wenn die Männer stromaufwärts fahren, könnten sie doch an jeder Stelle den Fluss verlassen! Wir wissen nicht einmal, ob Agnes noch lebt.«
»Sie lebt ganz gewiss. Dafür ist sie zu wertvoll. Außerdem hat uns der Anführer dieser Halunken einen Hinweis gegeben. Ihr erinnert Euch? Sie wollen unsere holde Maid am Schwarzen Meer verkaufen, und mit ihrer Ladung werden sie dafür wohl so weit wie möglich den Wasserweg nehmen.« Der Barde richtete sich vom Bett auf. »Ich habe vor einigen Jahren einem Grafen im Schwarzwald gedient. Ein alter versoffener Weinschlauch, doch er zahlte gut und ließ mich über die Dörfer ziehen. Deshalb kenne ich mich dort ein wenig aus.«
Melchior nahm einen Binsenzweig und zeichnete in die halbversickerte Wasserlache am Boden einige Linien. »Das hier ist der Rhein«, erklärte er. »Weiter im Osten ist die Donau, die irgendwann ins Schwarze Meer führt. Die beiden Flüsse sind die größten im Deutschen Reich. Um vom Rhein zur Donau zu gelangen, nutzen Reisende oft einen kleinen Fluss. Er heißt Kinzig und mündet, voilà …« Der Barde zog einen Strich, der von der Donau bis zu einer bestimmten Stelle am Rhein führte. »Im schönen Straßburg.«
Er machte eine galante Verbeugung und warf den Zweig aus dem Fenster. »Ich verwette meine Laute, dass die Händler mit Agnes dort haltmachen. Wenn wir uns beeilen, sind wir rechtzeitig genug dort, um sie aus den Händen dieser Schurken zu befreien. Auf alle Fälle ist das alles Stoff für eine wunderbare Ballade! Wenn ich im Herbst zum Sängerwettstreit auf der Wartburg antrete, werden die Leute begeistert sein. Bien sûr! «
Melchior von Tanningen erhob seine hohe, fast weibliche Stimme und sang voller Inbrunst.
Das Fräulein ward geraubet bald,
im tiefen, ach so finstren Wald
Ein Schiff bringt sie den Fluss hinab,
es droht des Fräuleins frühes Grab
Doch folgen ihr zwei Recken kühn
und helfen ihr, den Tod zu fliehn
In Straßburg kommt es dann zum Kampf …
Plötzlich zögerte der Barde und schüttelte den Kopf. »Es ist ein Jammer, dass sich auf Kampf nichts reimt außer Krampf und Dampf. Ich fürchte, ich werde an diesen Zeilen noch ein wenig feilen müssen. Aber dafür habe ich ja die ganze lange Reise noch Zeit.«
Stöhnend warf sich Mathis zurück ins Bett. Er war zu müde und zu schwach, um zu protestieren.
***
Agnes lag auf dem Boden des Bootes und versuchte, nicht laut zu atmen. Neben ihr schlief Agathe. Das Mädchen
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