Die Burg der Könige
beben sehen, während er schnarchte wie ein ganzes Dutzend Holzfäller. Allein Samuel war als Wache auf dem Schiff zurückgeblieben, doch der Kopf des Räubers war vornübergesunken, ein dünner Speichelfaden lief aus seinem Mund. Von ihm schien keine Gefahr auszugehen.
Umso mehr von Satan.
Das Äffchen kauerte zusammengesunken auf einer der vorderen Ruderbänke. In der Dunkelheit konnte Agnes nicht erkennen, ob seine bösen roten Äuglein offen oder geschlossen waren. Vermutlich würde sie das erst herausfinden, wenn das Biest zu zetern anfing. Doch das Risiko musste sie eingehen.
Mittlerweile war sie bei dem Affen angelangt, nur noch wenige Schritte trennten sie jetzt vom Bug. Sie sprach ein lautloses Stoßgebet, dann schlich sie katzengleich an Satan vorbei.
Eine der Planken quietschte.
Agnes verharrte wie zur Salzsäule erstarrt, doch der Affe hatte sie bereits gehört. Leise fauchend richtete er sich auf und versuchte, Agnes auf die Schulter zu springen, aber die Leine um seinen Hals zog ihn immer wieder zurück. Das stete Kratzen seiner Krallen auf den Planken kam Agnes vor wie Donnerhall.
Geschwind griff sie unter ihren Rock und zog ein paar Nüsse hervor, die sie in den letzten Tagen heimlich gesammelt hatte. Sie legte sie Satan vor die Nase, woraufhin dieser sie zunächst argwöhnisch musterte, dann aber zufrieden zu knabbern begann. Agnes atmete erleichtert auf. Wenigstens für kurze Zeit würde sie jetzt Ruhe haben.
Schnell legte sie die letzten Schritte zum Bug zurück und löste den Riegel an der Seemannstruhe. Sie musste ein wenig suchen, dann endlich fand sie neben einigen rostigen Münzen und allerlei Tand ihren Ring. Hastig nahm sie ihn an sich und wollte soeben zurück zu Agathe eilen, um sie zu befreien, als ein ohrenbetäubender Lärm zu hören war.
Es war das schrille Trompeten eines Horns.
Agnes musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszuheulen. Da hatte sie sich so viel Mühe gegeben, hatte das Schloss geöffnet, den Affen besänftigt und war unbemerkt zum Bug geschlichen, und dann machte dieses Horn alles zunichte!
Schon wälzten sich Barnabas und die anderen unruhig auf der Mole, die Papageien in ihren Käfigen begannen zu kreischen. Auch Samuel rieb sich murmelnd die Augen. Der Branntwein, den er erst vor ein paar Stunden in rauen Mengen genossen hatte, sorgte dafür, dass er noch nicht ganz bei Sinnen war. Agnes zögerte kurz, dann legte sie den Ring zurück in die Truhe. Wenn Barnabas sein Fehlen bemerkte und sie noch nicht geflohen war, würde er sie sicher zuallererst verdächtigen. Der Ring musste warten.
Sie schloss die Truhe, eilte nach hinten und legte sich neben Agathe, die eben die Augen aufschlug. Der Bügel ihres Schlosses rastete klickend wieder ein.
»Aber …«, begann Agathe erstaunt. Doch Agnes hielt ihr die Hand vor den Mund.
»Pssst!«
Es war keine Sekunde zu früh. Samuel polterte bereits über die Bänke auf sie zu. Als er die beiden Frauen unten am Boden liegen sah, sah er erleichtert aus.
»Dachte schon, ihr zwei Hübschen wärt ausgeflogen«, knurrte er. »Was soll dieser verdammte Lärm?«
Tatsächlich waren jetzt noch mehr Hörner zu vernehmen, außerdem Pferdegetrappel, Trommeln und entfernte Landsknechtsgesänge. Auf der Mole hatte sich Barnabas erhoben und starrte auf die Brücke, wo sich ein gewaltiger Tross Soldaten von Straßburg her der Stadt Kehl näherte. Er war so groß, dass sein Ende nicht abzusehen war.
»Verflucht, was machen die Landsknechte da mitten in der Nacht?«, brummte er zornig. »Können die einen anständigen Bürger nicht mal in Ruhe schlafen lassen?«
Mittlerweile waren die ersten Soldaten am Brückenkopf angelangt, der nur wenige Schritte von ihrer Anlegestelle entfernt war. Barnabas hob den Arm und rief den nächstbesten Landsknecht an.
»He! Wo zieht ihr denn hin um diese nachtschlafende Zeit?«
Der Soldat hatte eine Trommel vor den Bauch geschnallt, auf der er einen düsteren, monotonen Takt schlug, und musterte Barnabas gelangweilt.
»Wir ziehen gen Norden. Die Bauern stehen vor Speyer, und selbst der Bischof dort hat die Hosen voll«, antwortete er schließlich. »Hast du’s nicht gehört? Ganz Schwaben, Franken und die Kurpfalz sind in Aufruhr! Diese dummen Hirsefresser sind eine wahre Plage. Wird Zeit, dass wir ihnen gehörig den Arsch versohlen.«
Agnes horchte auf. Wenn Speyer fiel, war es nicht mehr weit bis Annweiler. Hatten die Bauern etwa bereits den Trifels erobert?
»Wahrlich, ihr tut Gottes
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