Die Burg der Könige
eigentlich zustand; er hatte die Tochter eines einfachen Vogts geheiratet und war nicht Herr über ein prächtiges Schloss geworden, sondern nur über zwei jämmerliche Burgruinen.
Und nun sah es so aus, als hätte er beides verloren: Agnes und auch den Schatz.
Friedrich rieb sich die Schläfen und versuchte die blutigen Bilder zu verdrängen, die immer wieder in ihm aufstiegen.
Ich werde ihn häuten, diesen Barden, langsam häuten. Und Agnes soll dabei zuschauen!
War der Normannenschatz vielleicht auch nur ein Traum? Alle Quellen, die er studiert hatte, wiesen darauf hin, dass auf dem Trifels ein großes Geheimnis verborgen lag. Doch welches Geheimnis, das verrieten die Quellen nicht. Waren diese Legenden etwa alle nur erfunden, so wie die Sage vom schlafenden Barbarossa? Überall hatte er gesucht, in der Burg selbst, in den Wäldern ringsumher; sogar getötet hatte er, um mögliche Mitwisser auszuschalten.
War dies alles umsonst gewesen?
Gerade eben wollte Friedrich hinüber zu seinem großen Schreibtisch gehen, um ein paar alte Pergamentbogen zu studieren, als ferner Lärm zu hören war. Er kam ganz offenbar vom oberen Burghof.
Verärgert ging er zum Fenster und öffnete die schweren hölzernen Läden, als ein Pfeil nur eine Handbreit an ihm vorbeiflog. Mit zitterndem Schaft blieb er im Gobelin auf der anderen Seite der Kammer stecken.
Was zum Teufel …
Erschrocken drückte der Graf sich mit dem Rücken an die Zimmerwand, während der Lärm auf dem Hof nun immer mehr anschwoll. Nach einigem Zögern schob er sich so weit an den Rand der Fensteröffnung, dass er einen kurzen Blick riskieren konnte.
Auf dem Burghof herrschte das blanke Chaos.
Burgmänner und Landsknechte liefen schreiend umher, einige Wachen lagen bereits zuckend am Boden, andere schlugen mit ihren Schwertern auf ein paar zerlumpte Gesellen ein. Zunächst vermutete Friedrich, ein paar einzelne Strauchdiebe hätten die Mauer gestürmt. Doch dann sah er, wie aus einem Loch unter dem Wehrgang immer mehr Männer quollen. Sie waren mit Sauspießen, Dolchen, Sicheln und kleinen handlichen Bogen bewaffnet und drängten die Burgbesatzung in einem Hagel von Pfeilen immer weiter zurück. Emsigen Ameisen gleich kamen sie aus der Luke gekrabbelt und warfen sich auf die überraschten Landsknechte. Nun erst begriff Friedrich, um wen es sich wirklich handelte und wie die Männer in die Burg gekommen waren.
Bei Gott, es sind die aufständischen Bauern! Die Bauern wissen von dem alten Fluchttunnel!
Bislang hatte der Graf die Warnungen anderer Adliger allesamt in den Wind geschlagen. Er wusste, was in Eußerthal geschehen war, und er hatte auch von anderen Burgen gehört, die in den letzten Wochen eingenommen worden waren. Doch Burg Scharfenberg war nach den Arbeiten des letzten Jahres gut befestigt, außerdem verfügte Friedrich über weitaus mehr Männer als die meisten anderen Lehnsherren. Aber was nützte ihm das, wenn der Feind über einen geheimen Gang in die Burg eindrang?
Das war Agnes! Agnes hat ihnen verraten, wie sie hereingelangen können!
Noch einmal warf Friedrich einen Blick hinunter in den Hof, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Weitere Pfeile flogen in seine Richtung, prallten aber an der Außenmauer ab. Auf der Treppe zum Bergfried stand ein einzelner buckliger Mann. Der Krüppel kämpfte nicht, sondern betrachtete vielmehr mit zufriedenem Gesichtsausdruck, wie ein Feldherr auf einem Hügel, das Treiben unter ihm. Ganz plötzlich blickte der Bucklige herauf zum Fenster, und sein Mund verzog sich zu einem Grinsen.
»Da oben ist der Graf, Männer!«, schrie der Schäfer-Jockel und deutete mit seiner dreifingrigen Hand auf Friedrich. »Holt ihn euch! Wir wollen ihn an die höchste Zinne seiner Burg hängen und ihm beim Zappeln zusehen!«
Graf Friedrich von Löwenstein-Scharfeneck rannte zu seinem Schreibtisch und raffte die wichtigsten Dokumente zusammen. Wie hatte es nur so weit kommen können, dass er vor einem Haufen Bauern fliehen musste! Wenigstens seine so lange gehegten Unterlagen über den Normannenschatz musste er retten. Alles andere würde wohl in Rauch und Flammen aufgehen. Angst und Zorn überfluteten Friedrich gleichzeitig, während das Blut in seinem Kopf rauschte.
Das wirst du mir büßen, Agnes. Oh, wie du mir das büßen wirst!
Der Graf warf einen letzten Blick hinaus in den Hof, wo noch immer das Chaos tobte. Dann sah er sich panisch nach einem möglichen Fluchtweg um. Doch sosehr Friedrich auch suchte, er
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