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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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der Dunkelheit eine Gestalt durch die Gassen von Annweiler. Eine Gruppe Wachmänner mit Hellebarden schritt nur wenige Schritte entfernt vorbei, doch der Mann drückte sich an eine Hauswand und wurde eins mit der Nacht.
    Caspars Hand ruhte auf dem Griff seines Dolches, bis die Büttel vorübergezogen waren. Das war nun schon das vierte Mal, dass er innerhalb der Stadt auf Wachen traf. Ganz Annweiler schien in Aufruhr, ebenso wie der Rest dieser öden, von Gott verlassenen Gegend. Für die Reise von Venedig her­auf hatte Caspar länger gebraucht als erwartet. Der Süden des Deutschen Reiches brannte an allen Ecken und Enden. Die Bauern hatten sich erhoben und erstürmten eine Stadt nach der anderen, auf den Straßen tobte das Chaos. Wer in diesen Zeiten allein mit dem Pferd unterwegs war, lebte gefährlich. Überall an den Wegen lauerten Posten der Aufständischen, die Reisende mit staatstragender Miene aufhielten und ausfragten. Jeder konnte der Spion eines Bischofs oder Herzogs sein, und Caspar wusste, dass er mit seiner dunklen Hautfarbe als besonders verdächtig galt. Er war anders, und allein das konnte in diesen Zeiten ein Verbrechen sein.
    Langsam schob sich Caspar an der Hauswand entlang, bis er zu einer Ecke kam, von der aus er den Annweiler Marktplatz in Augenschein nehmen konnte. Leise fluchend musste er feststellen, dass auch hier drei Männer postiert waren. Sie saßen auf den Stufen zum Rathaus, trugen die zerlumpte Kleidung von Bauern und ließen einen Krug Wein kreisen; ihre Gesichter verrieten, dass sie sich für äußerst wichtig hielten. Nachdenklich musterte Caspar die Sensen und Dreschflegel, die die Männer nachlässig an eine Säule gelehnt hatten. Ganz offensichtlich hatte die Stadt den Rebellen die Tore geöffnet, und die spielten sich nun als neue Herren auf und schnüffelten überall herum. Ein Zustand, der Caspars Vorhaben nicht eben leichter machte.
    Der Agent wusste, dass es nur einen Ort gab, wo er fündig werden konnte: das Annweiler Stadtarchiv. Es war damals ein großer Fehler gewesen, die Suche darin dem Stadtvogt zu überlassen. Mittlerweile war Caspar sich sicher, dass Bernwart Gessler dort etwas gefunden hatte, was er hatte verbergen wollen. Irgendein Dokument, ein Schriftstück, das Caspar weitergeholfen hätte. Er konnte nur hoffen, dass es der Vogt nicht vor seinem jähen Ende vernichtet hatte.
    Erneut warf er einen Blick auf die drei Männer, die mittlerweile zu würfeln begonnen hatten. Sie lachten laut und schienen bereits einiges getrunken zu haben, trotzdem konnte er es nicht riskieren, alle drei zu überwältigen. Auch eines der Fenster an der rückwärtigen Seite des Gebäudes aufzubrechen war zu laut. Also entschied er sich nach einigem Über­legen für einen billigen Taschenspielertrick.
    Caspar warf sich die Kapuze über und trat leicht gebückt hinaus auf den Rathausplatz. Er musste einige Male husten und mit den Schuhen über das Pflaster schaben, bis ihn die angetrunkenen Wachmänner wahrnahmen. Als sie endlich zu ihm herüberstarrten, blieb er wie angewurzelt stehen, ganz so, als hätten sie ihn bei etwas Verbotenem ertappt.
    »He, du da!«, rief der größte der Bauern mit wichtigtuerischer Stimme. Er trug ein löchriges Hemd aus Sackleinen, sein Kopf war in eine altertümliche Gugel gehüllt. »Stehen bleiben, auf der Stelle! Wer bist du und wo willst du hin?«
    Caspar tat so, als würde er kurz zögern, dann rannte er plötzlich in eine Nebengasse.
    »Verflixt, der flieht!«, krähte der Bauer. »Kommt, Männer, den holen wir uns!«
    Sie erhoben sich taumelnd, griffen nach ihren Sensen und Dreschflegeln und nahmen schimpfend die Verfolgung auf.
    Genau das hatte Caspar gewollt. Er bog in eine weitere enge Gasse und schlüpfte dort in einen offenen Hauseingang. Nur kurz darauf hörte er die drei Männer an sich vorbeitrampeln. Als die Schritte verklungen waren, eilte er zurück zum Marktplatz, der nun leer und verlassen vor ihm lag. Irgendwo in der Ferne waren die heiseren Schreie der Bauern zu hören, die ihn noch immer suchten.
    Caspar rannte die Stufen zum Rathaus empor, zog einen Dietrich aus der Tasche und schob ihn in das große Türschloss. Es dauerte keine Minute, dann schwang das zweiflüglige Portal knarrend auf.
    Er trat hinein und schloss leise die Tür hinter sich. Sofort umgaben ihn Stille und Dunkelheit. Nach einiger Zeit hatte er sich so weit an die Finsternis gewöhnt, dass er die Umrisse eines Flurs erkennen konnte, von dort führte eine

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