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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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schaden.«
    »Ein Gebet schadet nie.«
    Ganz so, wie Pater Tristan sie einst gelehrt hatte, setzte Agnes Wasser über dem Feuer auf und wartete, bis es kochte. Dann tauchte sie ein frisches Stück Tuch in den Topf und reinigte die Wunde. Der Junge stöhnte und zuckte, aber er wachte nicht auf.
    Und das ist auch besser so , dachte sie.
    Schluck für Schluck flößte sie dem Knaben Barbaras starken Branntwein ein. Schließlich nahm sie die Zange und fuhr damit tief ins Fleisch, während ihre Lippen lautlos das Ave-Maria murmelten.
    ***
    Am folgenden Tag war Agnes voll und ganz damit beschäftigt, sich um den verletzten Bauernjungen zu kümmern. Der Knabe starb nicht in der ersten Nacht, und auch das Fieber ließ merklich nach. Schließlich, gegen Abend, musste Mutter Barbara zähneknirschend anerkennen, dass sie ihre Wette verloren hatte.
    »Dieser Bursche hat entweder mit dem Teufel oder mit Gott einen Pakt«, brummte sie. »Keiner überlebt so eine tiefe Schusswunde in der Schulter. Was hast du gemacht? Die Wunde ausgebrannt und mit Eidotter beschmiert? Oder kennst du vielleicht irgendeine Arznei, die mir unbekannt ist?«
    Agnes schüttelte den Kopf und wechselte vorsichtig den eiterverkrusteten Verband. Sie wusste, dass Feldscher Verletzungen oft mit siedendem Öl oder mit einer Mischung aus Eigelb und Terpentin behandelten, doch Pater Tristan hatte ihr beigebracht, dass starker Alkohol immer noch das beste Mittel war. Bei den Wunden der Trifelser Bauern hatte er damit meist Erfolg gehabt, auch wenn er sich nicht erklären konnte, warum.
    »Nachdem ich die Kugel entfernt hatte, hab ich immer wieder mit Branntwein gespült, das ist alles«, erklärte Agnes der alten Marketenderin, während sie die nasse Stirn des Jungen abtupfte. Der Knabe stöhnte im Schlaf, doch das Fieber war bereits zurückgegangen. »Wichtig ist vor allem, dass kein Schmutz in die Wunde gerät.«
    »Ha! Schmutz hat noch keinem geschadet.« Mutter Barbara schüttelte ungläubig den Kopf. »Und der Branntwein ist zum Saufen da. Wenn wir den zum Wundenreinigen nehmen, kann ich mein Geschäft gleich zumachen.«
    »Barbara hat recht«, ertönte nun Barnabas’ weinselige Stimme, der von hinten an sie beide herangetreten war. Der Hurenhändler hatte vom Karren herunter madenverseuchtes Pferdefleisch an die hungrigen Landsknechte verkauft, jetzt feierte er sein Geschäft mit einem Krug saurem Rheinwein.
    »Den Schnaps verkaufen wir an die Landsknechte«, fuhr er leicht lallend fort. »Wenn du ihn als Arznei nehmen willst, musst du ihn schon von mir kaufen.« Er grinste. »Und da du das nicht kannst, wirst du mir wohl anderweitig nützlich sein müssen.«
    »Lass das Mädchen in Frieden!«, schimpfte Mutter Barbara. »So eine wie die ist für einen ungehobelten Kerl doch ohnehin nichts. Such dir lieber eine fette Großbusige hinten im Dirnenlager. Die weiß, wie man’s anstellen muss, dass du auch im Vollrausch noch einen hochbekommst.«
    »Ach, was verstehst du Vettel schon von feinen Damen!«
    »Mehr jedenfalls als ein stinkender Weinschlauch. Und jetzt troll dich!«
    Barnabas schien noch etwas erwidern zu wollen, doch dann wandte er sich brummelnd ab, um sich einen neuen Humpen Wein zu holen. Agnes atmete erleichtert auf.
    »Danke, Barbara«, flüsterte sie.
    Die alte Marketenderin schüttelte grimmig den Kopf. »Mach dich nur nicht lieb Kind bei mir, Mädchen. Das führt zu nichts. Ich will nur Frieden im Tross, das ist alles.«
    Sie schlurfte hinüber zum Feuer, und Agnes kümmerte sich wieder um den Bauernjungen, dessen Heimat verbrannt und verheert war. Gleich einer riesigen, alles verschlingenden Raupe waren Tross und Soldaten durchs schwäbische Land gezogen. Ihr nächstes Ziel war Franken. Dort hatten die Bauern bereits einige Städte eingenommen und belagerten nun Würzburg, wo der Bischof residierte. Eine große Schlacht stand unmittelbar bevor.
    Als Agnes das blasse Gesicht des schlafenden Jungen musterte, glaubte sie plötzlich, den jungen, damals noch schmächtigen Mathis vor sich zu sehen. Sie musste an ihre gemeinsame Kindheit denken, als Krieg und Not noch fern gewesen waren und höchstens in ihren Rittergeschichten vorkamen. Wie so oft in letzter Zeit wanderten Agnes’ Gedanken zum Trifels, zu Constanza und Johann und zu dem seltsamen Ring, der nach wie vor an Barnabas’ Hals baumelte, vor ihrer Nase und doch so unerreichbar fern.
    Diese Nacht verbrachte sie wieder mit Barnabas in dem mit Leinwand bespannten zugigen Karren zwischen

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