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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Hilfe.
    »Mutter Barbara! Mutter Barbara!«
    Agnes sah sich nach der Marketenderin um, die nur wenige Schritte entfernt soeben die Leiche eines Landsknechts untersuchte, den ein fünf Schritt langer Spieß durchbohrt hatte. Unwillig blickte die alte Frau zu ihr herüber.
    »Was gibt’s denn, Mädchen? Hab ich dir nicht gesagt, du …«
    »Hier ist ein Bauernbub, der noch lebt! Wir sollten ihm helfen.«
    Seufzend kam Barbara zu ihr herüber und musterte den röchelnden Knaben. Kurz legte sie ihre Hand auf seine Brust, doch schon bald wandte sie sich kopfschüttelnd ab.
    »Da kommt jede Hilfe zu spät. Sieh selbst, wie viel Blut er bereits verloren hat.«
    »Ich bin sicher, dass ich ihm helfen kann«, erwiderte Agnes. »Dafür müssen wir ihn allerdings hinüber zum Wagen bringen, wo deine Arzneitruhe steht.«
    Barbara lachte. » Du willst ihm helfen? Mädchen, ich mache das jetzt schon viele Jahre, und ich sage dir, bei dem hier kann man nichts mehr ausrichten. Warum willst du’s also besser wissen als ich?«
    »Ich … ich habe schon viele Menschen geheilt«, sagte Agnes zögernd. »Ein alter Mönch hat mir das beigebracht.«
    »So, so.« Barbara sah sie argwöhnisch an. »Warst wohl eine Nonne oder so was? Vielleicht sogar was Feineres, na? Bar­nabas verrät ja nichts, und aus dir bringt man auch kein Wort raus.«
    »Hilfst du mir, ihn hinüber zum Wagen zu bringen?«, fragte Agnes schnell. Sie hatte beschlossen, keinem von ihrer Herkunft zu erzählen, und auch Barnabas hatte bislang den Mund gehalten. Vermutlich hatte der Hurenhändler Angst, dass jemand ihm die Trifelser Gräfin wegschnappte.
    »Das ist doch nur ein Bauernbursche!«, empörte sich Barbara. »Warum sollen wir dem helfen? Er ist nicht mal einer der Unseren.«
    »Er ist ein Kind Gottes, so wie wir alle.«
    Barbara verdrehte die Augen zum Himmel. »Also doch eine Nonne.« Dann zuckte sie mit den Schultern. »Also gut, ich helfe dir, aber nur, damit du einsiehst, dass du vom Heilen nichts verstehst. Ich setze einen Golddukaten, dass der Bub schon morgen nicht mehr auf dieser Erde weilt.«
    Gemeinsam trugen sie den Knaben hinüber zum Heeres­lager, das nur wenige Hundert Schritt entfernt am Waldrand lag und sich schier endlos in beide Richtungen erstreckte. Überall brannten Lagerfeuer, an denen ganze Ochsen und Schweine über den Flammen brutzelten. Einige Tausend Landsknechte in ihren weiten geschlitzten Hemden und den nach Soldatenmode aufgeschnittenen Beinlingen saßen dort, soffen, rauften, würfelten und johlten. Sie feierten ihren Sieg über die Württemberger Bauern und verteilten die Beute untereinander. Vom Schlachtfeld wehte Verwesungsgestank herüber und vermischte sich mit dem Geruch von gebratenem Fleisch, Pferdemist und den rauchenden Feuern.
    Vorsichtig trugen die zwei Frauen den Buben an den teils volltrunkenen Söldnern vorbei, die nur beiläufig zu ihnen herüberschauten. Keinem fiel auf, dass es sich bei dem Verletzten um einen feindlichen Bauernbuschen handelte.
    Gleich neben dem Lager befand sich der dem Heer folgende Begleittross aus Weibern, Kindern, Hausierern, Dieben, fahrenden Metzgern, Sudkochern, Bäckern, Gauklern und Tagelöhnern, der beinahe noch einmal so viele Menschen zählte. Hier ging es fast lauter zu als bei den Soldaten. Säuglinge schrien, schmutzstarrende halbwüchsige Mädchen priesen madenverseuchte Pasteten an oder verschwanden mit ­einem Landsknecht kurz im Gebüsch, Schmiede schlugen hämmernd auf Schwerter und Rüstungsteile ein, und ein Wanderpriester erteilte ein paar im Schmutz knienden Bettlern und Kriegsversehrten in jammernden Litaneien die täg­liche Segnung.
    Barnabas’ Wagen befand sich nur unweit des großen Zelts, in dem der sogenannte Hurenweibel regierte, der für die Ordnung des gesamten Trosses verantwortlich war. Immer wieder staunte Agnes darüber, wie schnell sich Barnabas mit den neuen Verhältnissen arrangiert hatte. Fast jeden Abend gab er gemeinsam mit Marek, Schniefnase und Samuel eine gut besuchte Vorstellung, in der sie den Affen und den sprechenden Papagei auftreten ließen. Den anderen Vogel hatten sie einem Wirt in Kehl aufgeschwatzt und dafür einen klapprigen Wagen und ein altes lahmendes Pferd bekommen.
    Barnabas hatte sich mit Mutter Barbara zusammengetan. Die Marketenderin wusste, was die Landsknechte brauchten; Barnabas’ Männer besorgten das Gewünschte auf den Schlachtfeldern und in den Dörfern ringsumher. Von ihren zwei Karren aus verkauften sie es dann zu

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