Die Burg der Könige
lassen. Aber ich finde, das war es wert.«
Zum ersten Mal kroch Angst in Caspar hoch; eine Angst, die er sich selbst nicht erklären konnte. Schließlich war er es doch, der noch eine Waffe in der Hand hielt. Die Flammen um ihn herum waren nun so nah, dass sich seine Nackenhaare zu kräuseln begannen.
»Was … was habt Ihr vor?«, presste er hervor. »Wir können über alles …«
»Ich denke, es wird Zeit, sich zu verabschieden. Wie gesagt, Ihr hättet meine Laute nicht zerstören sollen. So etwas verzeihe ich nicht. Niemals.«
Mit dem Fuß schleuderte der kleine Mann Caspar eine Ladung brennender Bücher ins Gesicht, dann rannte er geschwind auf den Ausgang zu. Caspar spürte, wie die Flammen an seinem Gesicht leckten. Brüllend ließ er den Säbel fallen und schüttelte sich einige glimmende Seiten aus dem verfilzten schwarzen Haar. Dann rannte er seinem Gegner hinterher.
Doch schon im Laufen wurde ihm klar, dass er ihn nicht mehr einholen konnte.
O Gott, lass ihn nicht …
Die Tür schloss sich krachend, gleich darauf wurde der Schlüssel im Schloss umgedreht. Caspar rüttelte an der Klinke, er warf sich mit aller Macht gegen das mit Eisen verstärkte Holz, doch die Tür hielt stand.
»Aufmachen! Zum Teufel, aufmachen!«, schrie er immer wieder, obwohl er wusste, dass sein Flehen dort draußen auf taube Ohren stoßen würde.
Nach einer Weile gab Caspar auf. Er drehte sich um und suchte panisch nach einem anderen Ausgang, irgendein Mauseloch, durch das er entkommen konnte. Der Qualm war nun so dicht, dass er sich nur noch tastend vorwärtsbewegen konnte. Hustend stolperte er über zusammengebrochene Regale und Gluthaufen, von denen brennende Seiten wie rote Engelsflügel zum Himmel stiegen. In der Kammer war es jetzt so heiß wie in einem Backofen. Caspars Mantel, seine Beinlinge, auch sein Wams – alles hatte bereits an den Rändern leicht zu glimmen begonnen.
In diesem Augenblick durchfuhr ihn ein ebenso einfacher wie rettender Gedanke. Caspars von heißer Luft verdorrte Kehle schmerzte, als er verzweifelt auflachte.
Vielleicht war doch noch nicht alles verloren.
Außer Atem lief Agnes Mathis hinterher, der noch immer den blutenden Dekan über der Schulter trug. Als sie die große Halle endlich erreicht hatten, blieben sie beide erschrocken stehen. Es war wesentlich heller als noch vor einer Stunde, als sie hier gemeinsam mit Pater Domenicus an den Regalen entlanggegangen waren. Überall schienen nun Laternen zu brennen. Schon kurz darauf erkannte Agnes, woher diese Helligkeit tatsächlich stammte.
Mein Gott, das sind keine Laternen! Die ganze Bibliothek steht in Flammen!
Offenbar hatte der brennende Chorherr auf seiner Flucht an etlichen Stellen Bücher entzündet. Überall hatten sich kleine Brandnester gebildet, von denen die Flammen nun auf andere Bereiche übergriffen. Wo Agnes auch hinblickte, überall glühten in der Dunkelheit der Grotte Bücher wie kleine Lampions. Von den übrigen Mönchen war nichts mehr zu sehen. Vermutlich hatten sie die Bibliothek bereits durch den vorderen Ausgang verlassen.
Mühsam schleppten sich Agnes und Mathis weiter, während um sie herum die ersten Balkone samt ihrer brennenden Last krachend zu Boden stürzten. Ein Schauer aus Glutstückchen und Aschefetzen regnete auf sie beide nieder; auch diesmal leistete Agnes’ Mantel gute Dienste, indem er sie vor dem Funkenflug schützte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten sie die vordere Tür erreicht. Direkt davor lag ein verkohltes, noch rauchendes Bündel. Als Agnes darübersteigen wollte, schrie sie erschrocken auf. Ein winziges schwarzes Gesicht mit gebleckten Zähnen grinste sie an. Einen kurzen Moment glaubte Agnes, Satan, den kleinen Affen, vor sich zu sehen. Doch dann erkannte sie, dass es die Leiche eines Mönchs war, bis zur Unkenntlichkeit zusammengeschmolzen.
»Bei allen Heiligen!«, flüsterte sie. »Der arme Mann hat offenbar versucht, hier rauszukommen, und ist vor dem rettenden Ausgang verbrannt.«
»Damit hat er sich immerhin das Fegefeuer erspart«, keuchte Mathis, von der Last des Dekans völlig außer Atem. »Ich ahne Furchtbares.«
Er drängte sich an ihr vorbei und drückte die Klinke. Schließlich stieß er einen derben Fluch aus.
»Verschlossen, wie ich befürchtet habe!«, schimpfte er. »Diese hasenfüßigen Pfaffen! Haben uns hier eingeschlossen, weil sie dachten, der Teufel sei ihnen auf den Fersen! Was jetzt?«
Agnes deutete auf Pater Domenicus, der noch immer leblos
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