Die Burg der Könige
auf die Schulter und wankte auf den Ausgang zu. Im Vorbeigehen sah er noch, wie Melchior von Tanningen und der schwarzhäutige Fremde vor der Tischplatte weiterkämpften.
Dann verdeckte dichter schwarzer Qualm die Sicht.
Mit einem heiseren Schrei warf sich Caspar seinem Feind entgegen. Auf dem Boden, genau zwischen ihnen, lagen die beiden Radschlosspistolen, die ihn zum ersten Mal in seinem Leben im Stich gelassen hatten. Sie erneut zu stopfen hätte ihn zu viel Zeit gekostet. Also musste er sich wohl oder übel auf seinen Säbel verlassen. Und das, obwohl seine soeben erst verheilten Rippen wieder höllisch schmerzten.
Ich hätte wirklich besser zielen sollen …
Dieses letzte Zusammentreffen hatte sich völlig anders entwickelt, als Caspar zunächst erhofft hatte. Nachdem er einen der Chorherren auf der Treppe überwältigt und ihm den Schlüsselbund abgenommen hatte, war es ein Leichtes gewesen, in die Bibliothek vorzudringen. Gerne hätte er sich mit diesem architektonischen Wunderwerk, das er in einem barbarischen Land wie diesem so nie erwartet hätte, näher beschäftigt. Doch die Zeit drängte. Also war er weiter durch die Gänge geschlichen, bis er hinter einer angelehnten Tür Stimmen vernahm. Was er hörte, war äußerst aufschlussreich gewesen. Alles war genau so, wie es ihm sein Auftraggeber berichtet hatte.
Doch als es galt, den letzten Schritt zu tun, war etwas furchtbar schiefgegangen. Seine Faustbüchsen hatten versagt, vermutlich hatten sich irgendwann in den letzten Wochen die Läufe leicht verbogen. Und nun war er in dieses kräftezehrende Scharmützel verwickelt, während das Mädchen das Weite suchte.
Es war wirklich Zeit, die Sache zu Ende zu bringen.
Eine Weile wogte der Kampf verbissen hin und her, nur das Klirren der Klingen und das Flammenprasseln ringsumher waren zu hören. Um die beiden Kontrahenten herum brannten die morschen, staubtrockenen Regale wie Zunder, berstend stürzten die Gerüste eines nach dem anderen zu Boden, wo ihr Inhalt Nahrung für ein immer größer werdendes Feuer wurde.
Der Rauch war nun so dicht, dass Caspar seinen Gegner teilweise nur noch als Schemen wahrnehmen konnte. Obwohl seine eigenen Hiebe und Stiche präzise wie ein Uhrwerk waren, gelang es dem grazilen Mann erstaunlicherweise immer wieder auszuweichen. Mit so viel Gegenwehr hatte Caspar nicht gerechnet.
Ein weitere Folge von Schlägen prasselte auf ihn ein, er hob wiederholt den Säbel, und die beiden Waffen prallten mit einem hässlichen Schaben aufeinander. Ihre Gesichter waren sich nun so nah, dass sie sich fast berührten. Caspar bleckte die Zähne zu einem Grinsen. Durch den schwarzen Qualm und die herumfliegende Asche war sein Gegner beinahe so schwarz geworden wie er selbst. Wie zwei Schachfiguren aus Ebenholz standen sie sich in der Mitte des Raums gegenüber.
»Lasst die Waffe fallen, bevor es zu spät ist!«, zischte Caspar. »Mein Wort als Ehrenmann, dass ich Euch laufenlasse. Ihr seid es nicht, den ich suche!«
Sein Gegner lächelte nur, während ihm der Schweiß in Rinnsalen von der Stirn lief, wo er weiße Bahnen hinterließ. »Ihr habt meine Laute zerstört«, brachte der kleine Mann schließlich keuchend hervor. »Allein deshalb kann ich Euer Angebot nicht akzeptieren, tut mir leid.«
»Verdammter Narr!«
In einem letzten verzweifelten Kraftakt warf Caspar den grazilen Barden gegen eines der Buchregale, das mit ohrenbetäubendem Getöse umfiel, so dass beide Kämpfenden in einem Meer von Büchern landeten. Caspar paddelte wie ein Ertrinkender, um sich zu befreien, und auch sein Gegner hatte Mühe, sich aus den Büchern zu erheben. Beinahe gleichzeitig kamen sie wieder auf die Beine, doch im Gegensatz zu Caspar hatte sein Gegner keine Waffe mehr in der Hand. Er musste seinen Degen während des Sturzes verloren haben.
»Denkt Ihr etwa jetzt ans Aufgeben?«, knurrte Caspar und ließ den Säbel kreisen. »Ich fürchte, dafür ist es nun zu spät.«
Doch der zierliche Mann zeigte keine Furcht. Stattdessen verschränkte er die Hände wie zu einem Zaubertrick, er murmelte einige Worte, schließlich tauchte wie aus dem Nichts ein Schlüsselbund zwischen seinen Fingern auf. Caspars Herz machte einen Sprung.
Verflucht, die Schlüssel für die Bibliothek! , dachte er. Aber wieso …
»Sucht Ihr das etwa?«, fragte sein Gegenüber mit gespielter Ahnungslosigkeit. »Es ist Euch vorhin beim Sturz wohl aus der Tasche gerutscht. Um danach zu greifen, musste ich meinen Degen fallen
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