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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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»Verflucht, sagt das nicht noch mal! Sonst gehe ich wieder runter und hole mir selbst welche.«
    Erschöpft und am ganzen Körper zitternd stieg Agnes durch die Öffnung, aus der noch immer dünne Rauchschwaden krochen. Die hohen Herrschaften auf den benachbarten Grabplatten schienen sie und ihre zwei Begleiter beinahe vorwurfsvoll zu mustern. Hemden und Beinlinge waren zerrissen und an den Rändern verkohlt, die Hände und Gesichter kohlschwarz; nur die Augen leuchteten weiß daraus hervor. Agnes wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah sich um. Die Kapelle war leer, nach dem lauten Prasseln der Flammen herrschte eine fast unwirkliche Stille.
    Plötzlich läuteten ganz in der Nähe schrill die Kirchen­glocken.
    »Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis die Mönche hier wieder auftauchen«, sagte Mathis. »Wenn wir Ärger vermeiden wollen, sollten wir die Kirche schleunigst verlassen.«
    »Und was ist mit all dem, was wir dort unten erfahren haben?« Müde rieb Agnes sich die verrußten Augen. Sie war so schwach, dass sie sich an die Wand lehnen musste, um nicht ohnmächtig zu werden. »Es kommt mir vor, als wäre dieser ganze Tag nichts weiter als ein Alptraum, aus dem ich erst jetzt langsam erwache.«
    »Es war tatsächlich wohl nur ein Traum«, entgegnete ­Mathis düster. »Nachfahrin Barbarossas, pah! Ohne die Urkunde von Kaiser Friedrich II. sind das alles nur hübsche Erzählungen. Du hast zwar den Ring, aber das ist noch lange kein Beweis, dass du wirklich von den Staufern abstammst.« Er deutete auf das qualmende Loch. »Der Beweis ist dort unten verbrannt.«
    »Vielleicht will ich den Beweis ja gar nicht. Vielleicht bin ich froh, dass ich einfach Agnes von Erfenstein sein kann, die Trifelser Vogtstochter.«
    Mathis sah sie streng an. »Und was ist mit dieser Heiligen Lanze? Pater Domenicus meinte, du hättest einen Auftrag zu erfüllen. Hast du das schon vergessen?«
    »Himmelherrgott, warum will mir eigentlich die ganze Welt sagen, was ich zu tun habe!« In Agnes’ vom Ruß schwarzem Gesicht glitzerten die Augen wie geschliffene Rubine. »Kann ich das nicht mehr selbst entscheiden? Ich sag dir was, Mathis Wielenbach! Ich bin froh, dass diese vermaledeite Urkunde verbrannt ist. Damit hat die Geschichte nun wenigstens ein Ende, und wir können heimkehren!«
    »Du kannst vielleicht heimkehren, Frau Gräfin, aber ich bin ein gesuchter Aufrührer. Hast du das vielleicht vergessen?«
    »Und du hast wohl vergessen, dass ich vor meinem rachsüchtigen, verrückten Ehemann geflohen bin.«
    Neben ihnen räusperte sich Melchior von Tanningen. »Ich unterbreche ja nur äußerst ungern Euer anregendes Gespräch«, warf er ein. »Aber was dieses Dokument angeht, muss ich die Frau Gräfin leider enttäuschen.« Lächelnd zog er unter seinem Stapel Bücher ein zusammengefaltetes Pergament hervor, das an den Rändern leicht verkohlt war. Es war ebenjenes Dokument, das ihnen der Dekan unten gezeigt hatte. Agnes erkannte den fortlaufenden Stammbaum und das Siegel des Stauferkaisers darunter.
    »Als dort unten in der Kammer das Chaos ausbrach, hielt ich es für das Beste, die Urkunde an mich zu nehmen«, fuhr der Barde fort. »Ich denke, sie ist mehr wert als alle geretteten Bücher zusammen.«
    Er steckte das Pergament in sein rußgeschwärztes Wams, nahm den Stapel Bücher unter den Arm und ging tänzelnd auf den Ausgang der Kapelle zu.
    »Und nun geschwind fort von hier. Bevor wir noch als Brandstifter der größten deutschen Bibliothek auf dem Scheiterhaufen landen.«

KAPITEL 22
    Burg Löwenstein bei Heilbronn,
    15. Juni, Anno Domini 1525
    nweit des herrschaftlichen Familiensitzes der Familie Löwenstein-Scharfeneck zog ein Turmfalke seine Kreise. Auf der Suche nach fetten Feldmäusen flog er über die Äcker, die jetzt, Mitte Juni, bereits reife goldene Ähren trugen. Es ging auf Mittag zu, und die Sonne stach wie mit Nadeln vom Himmel. Seit mehreren Tagen war kein Regen mehr gefallen; wer nur irgendwie konnte, war in die kühlen schattigen Gemächer der Burg geflohen und wartete dort die schlimmste Hitze ab.
    Nur ein einzelner Mann stand hinter den Zinnen und beobachtete von dort aus den Flug des kleinen rotbraunen Vogels. Graf Friedrich von Scharfeneck hielt die Armbrust ganz ruhig, nicht das geringste Zittern durchlief seinen Körper, die Augen visierten ein letztes Mal das Ziel, dann drückte er ab.
    Wie von einer Schnur gezogen, flog der Bolzen der Sonne entgegen. Er traf den Falken genau in der Brust.

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