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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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auf­zugeben. Einer der Wirte meinte zudem, der junge Graf Friedrich sei zu seinem Vater in die Gegend von Heilbronn geflohen. Offenbar hat er den Sturm auf Burg Scharfenberg unbeschadet überstanden.«
    »Na, wenigstens sind wir ihn so los«, sagte Mathis und biss hungrig in seine Pastete. »Soll der Herr Graf doch meinet­wegen in Heilbronn versauern. Hauptsache, er kommt nicht mehr in den Wasgau zurück.« Nachdem er aufgegessen und sich über den Mund gewischt hatte, blickte er erwartungsvoll in die Runde.
    »Also, was meint ihr?«, hob er an. »Das sind nicht die schlechtesten Nachrichten. Vielleicht lässt sich mit dem Jockel ja reden, und wir können in die Burg. Immerhin war ich einmal sein Stellvertreter …«
    »Vergiss es, Mathis!«, fuhr Agnes ihn an. »Dieser Mann ist ein Verrückter und ein Blutsäufer. Willst du dem vielleicht die Heilige Lanze geben, wenn wir sie finden?«
    » Wir ? Habe ich richtig gehört?« Melchior klatschte begeistert in die Hände. »Dann seid Ihr also weiterhin auf unserer Seite, werte Dame? Das ist gut, sehr gut!«
    »Wartet, das … das hab ich nicht gesagt«, erwiderte Agnes. »Ich meinte nur …«
    »Deine Träume«, unterbrach sie Mathis. »Vielleicht kommen sie ja zurück, wenn wir uns dem Trifels nähern. Vielleicht helfen dir vertraute Eindrücke, dich zu erinnern.« Er nahm ihre Hand. »Ohne dich werden wir die Heilige Lanze niemals finden, Agnes! Constanza und Johann können sie überall in der Gegend versteckt haben. Das ist wie die Nadel im Heuhaufen. Denk an all die armen Bauern, denen wir helfen könnten!« Sie schwieg beharrlich, schließlich seufzte er tief. »Also gut, was hältst du davon? Wir gehen in die Nähe des Trifels, ich versuche, etwas über meine Mutter und meine Schwester in Erfahrung zu bringen, und wenn wir dann immer noch nicht weitergekommen sind, geben wir auf. Einverstanden? Wir fangen ein neues Leben an, versprochen!«
    »Ehrenwort?«
    Mathis hielt die Hand an seine breite Brust. »Mein Wort als Freund und Ehrenmann.«
    »Also … gut, einverstanden.«
    Agnes nickte zögerlich, und schon eine halbe Stunde später sagten sie den Flussschiffern Lebewohl und brachen gemeinsam auf in Richtung Annweiler.
    Doch noch immer befürchtete Agnes, ihre Rückkehr könnte ein schrecklicher Fehler sein. Sie kam sich vor wie am Rande eines Mahlstroms, der sie langsam, aber unerbittlich in die Tiefe zog.
    ***
    »Ich vermisse das Schiff jetzt schon«, murrte Mathis, während sie über ausgetretene Wildwechsel durch den Wald schritten. Den zweiten Tag waren sie nun seit ihrer Ankunft in Speyer unterwegs, und es ging bereits wieder auf den späten Nachmittag zu. Sie hatten die wenigen Dörfer gemieden und sich bislang ausschließlich von kalten Pasteten und Bachwasser ernährt. Fluchend schlug Mathis nach den Stech­mücken, die jetzt im Sommer zu Myriaden durch die Luft schwirrten. Kletten und Dornen von Brombeersträuchern blieben an seinem Hemd hängen. »Und den Wein, den vermiss ich auch!«, schimpfte er weiter. »Die Hitze hier lässt einen ja fast verdursten.«
    »Ich dachte, Ihr wolltet nie ein verwöhnter Edelmann sein?«, entgegnete Melchior grinsend. »Passt auf! Ihr fangt nämlich bereits an, Euch wie einer zu benehmen.«
    Mathis lachte. »Nun, Kleider machen Leute, so sagt man doch in Euren Kreisen, nicht wahr? Vielleicht ist es ja ganz gut, dass die Dornen meine neuen Beinlinge zerreißen, bevor ich mich noch in einen schmerbäuchigen, ewig plappernden Barden verwandle.«
    Agnes beobachtete die beiden Männer, die so verschieden waren und die sie inzwischen beide liebgewonnen hatte, jeden auf seine Weise. Sie stammten aus gegensätzlichen Welten, trotzdem schien sie etwas miteinander zu verbinden – eine Leidenschaft für das Leben, der unbedingte Einsatz für ihre Ideale; etwas, das ihr fehlte. Und nun verlangten diese beiden Männer, dass sie sich für eine Seite entschied – für die der Fürsten oder für die der Bauern.
    Sie konnte es nicht.
    Je mehr sie sich dem Trifels näherten, umso fiebriger fühlte sich Agnes. Die Schwüle im Wald, das Schwirren der Stechmücken, der sumpfige, schwer zu begehende Waldboden, all das machte sie schrecklich müde. Schon als Kind hatte sie manchmal das Gefühl gehabt, der Trifels würde nach ihr rufen. Und auch jetzt hörte sie wieder eine innere Stimme. Doch anders als früher klang sie nicht freundlich und einlullend, die Stimme machte ihr Angst.
    Sei gegrüßt, Agnes. Ich habe dich vermisst. Wo bist du

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